2296 - In der Hölle von Whocain
Terraner, den Atlan mitgebracht hatte. Auf seiner Bordkombination prangte das Emblem der Psychologischen Abteilung.
Sto-Vauzech zögerte mit der Antwort. Als überzeugter Vertreter der klassischen Medizinischen Schule von Aralon stand er Seelenklempnem reserviert gegenüber. Er schätzte Disziplinen nicht, deren therapeutisches Repertoire sich im Wesentlichen auf gutes Zureden beschränkte. „Das ist Hajmo Siderip", stellte Atlan vor. „Er wird einem Spezialistenteam angehören, das ich gerade zusammenstelle. Auch deine Klientin hatte ich dafür eingeplant. Wann, denkst du, wird sie frühestens einsatzfähig sein?"
„Das kommt ganz darauf an, was du unter >einsatzfähig< verstehst.
Körperlich ist sie voll rehabilitiert. Ihr Geisteszustand hingegen unterliegt nach wie vor starken Schwankungen."
Atlan seufzte. „Wann?"
„Eine präzise Prognose ist mir in einem derart singulären Fall wie ihrem unmöglich."
„Ich verstehe, dass du dich nicht festlegen willst, Heiler. Aber wir brauchen diese Frau. Ohne ihre besonderen ... Errungenschaften sinken unsere ohnedies geringen Erfolgschancen ins Bodenlose. Also?"
„Einigermaßen guten Gewissens aus der medizinischen Betreuung entlassen kann ich sie erst, wenn die neurologischen Nachsorge-Untersuchungen zur Zufriedenheit abgeschlossen sind. Das wird - immer vorausgesetzt, dass keine gravierenden Rückfälle mehr auftreten - mindestens zwei Tage dauern."
„Ich danke dir. Die Zeit drängt, doch so lange werden wir es erwarten, zumal noch andere Vorkehrungen zu treffen sind."
Der Grünschnabel aus der Psycho-Abteilung hatte während ihres Dialogs nervös auf seiner Unterlippe herumgekaut. Nun sagte er patzig zu Atlan: „Ich wäre dankbar, wenn man mich etwas umfassender über meine künftige Einsatzpartnerin aufklärte."
„Gleich. Wir wollen Sto-Vauzechs Zeit nicht länger als nötig in Anspruch nehmen."
Der Arkonide und sein Anhängsel verabschiedeten sich und gingen.
Die Frau auf der Medo-Liege stöhnte. Sto-Vauzech las die Anzeigen ab.
Wie so oft divergierten somatische Werte und Enzephalogramm signifikant.
Wäre dies mit seiner professionellen Einstellung vereinbar gewesen, hätte der Ära Mitleid empfunden. Seine Klientin litt.
Ihr Körper schlief, doch ihr Geist kam nicht zur Ruhe. „War ich zu vorlaut?", fragte Hajmo auf dem Rückweg in die zentrale Kugelsektion. „Im Gegenteil. Du hast dich mustergültig zurückgehalten, obwohl dich dein Kollege recht rüde geschnitten hat."
„Ach, die Animositäten der Skalpellfuchtler bin ich gewohnt."
„Sto-Vauzech ist ein hervorragender Arzt, wahrscheinlich der beste Notfallchirurg unserer Flotte", sagte Atlan trocken. „Das zählt auf einem Kriegsschiff ungleich mehr als seine in manchen Punkten konservativen Anschauungen."
Obwohl er eigentlich gelobt worden war, fühlte sich Hajmo auf subtile Weise zurechtgestutzt. Er schluckte. Hatte die herablassende Art des Aras ihn eher in seinem Selbstbewusstsein bestärkt, so kam er sich nun mit einem Mal sehr klein, jung und einfältig vor.
Was wogen die paar Jahre seines Studiums und das größtenteils theoretische Wissen, das er sich dabei angeeignet hatte, gegen die immense Erfahrung des ,viele Jahrtausende alten, biologisch unsterblichen Aktivatorträgers?
Atlan hatte dem Stellvertretenden Chefmediker keineswegs Honig ums Maul geschmiert. Aber er hatte ihm seine Wertschätzung vermittelt, indem er auf Sto-Vauzechs Eigenheiten eingegangen war. „Danke", sagte Hajmo mit belegter Stimme. „Wofür?"
„Für die Lehrstunde in Toleranz und Menschenführung."
Der Arkonide schmunzelte. „Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu schulmeistern."
„Atlan?"
„Hm?"
„Im Ernst - benötigst du mich bei diesem Einsatz überhaupt? Ich meine, du bist der mit Abstand bessere Psychologe."
„Das mag stimmen, was die allgemeine Praxis betrifft. Mit den Kybb-Völkern hast du dich viel gründlicher befasst. Vor allem aber: Ich werde an dem Kommandounternehmen nicht teilnehmen."
Hajmo blieb abrupt stehen. „Was?"
Er war stillschweigend davon ausgegangen, dass Atlan persönlich den Einsatz leiten würde.
Wie oft hatte er sich gewünscht, einmal Seite an Seite mit einem der Unsterblichen Feldforschung betreiben zu dürfen! Ein Abenteuer zu erleben, unter möglichst kritischen Bedingungen, doch zugleich beaufsichtigt und behütet von einem seiner Idole ...
Dieser Traum, dessen Erfüllung er sich so nahe gewähnt hatte, war jäh zerplatzt. Der Schock fuhr ihm in die
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