2298 - Bericht eines Toten
irritieren. Der Gang vor mir schien plötzlich zu enden, und im nächsten Augenblick tat sich ein Abgrund auf, der direkt in die Magmakammer unter dem Vulkan zu führen schien.
Ich schaltete das Ordinärhirn ab, und der Druck auf meinen Kopf löste sich auf. Die Felswand, die den Weg versperrte, verschwand, als hätte es sie nie gegeben.
Es hatte sie nie gegeben. Selbst wenn doch, hätte sie mich nicht aufhalten können. Ich hatte längst die Zellstrukturumwandlung vorgenommen; selbst Gestein wäre nur ein lästiges Hindernis gewesen, hätte mich aber nicht aufhalten können.
Ich stürmte weiter ins Innere. Als ich die Gestalt sah, glaubte ich einen winzigen Moment lang an eine weitere Halluzination, wie wir sie auch bei der Flucht aus dem Stock-Relais erlebt hatten. Aber das konnte nicht sein; Gon-Os geistige Macht war gebrochen, der Stock stand unmittelbar vor der Vernichtung. Ich konnte mich voll und ganz auf mein Planhirn verlassen.
Trotz des Chaos um uns herum wirkte der unsterbliche Humanoide noch immer erhaben; in terranischen Mythen wäre er wirklich für die Rolle eines Halbgottes, wenn nicht eines Gottes selbst prädestiniert gewesen. Er sah mich an, als hielte er mich für ein Trugbild, und ich spürte kurz eine mentale Präsenz in mir, doch er war zu schwach, um mich zu beeinflussen.
Die Zerstörung des Stocks schritt schneller voran, als ich berechnet hatte. Die psionischen Kräfte Gon-Os litten unter dem Zerfall des Hyperkristalls.
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch eine wohl dosierte Berührung meines rechten Handlungsarms schleuderte ihn zurück. Ich spielte keinen Moment lang mit dem Gedanken, mit gefährlicher Kraft zuzuschlagen. Gon-Orbhon war nicht Gon-O; er stand im Bann Satrugars und musste nicht getötet, sondern gerettet werden.
Ich zerrte den ehemaligen Schutzherren hoch, umfasste ihn mit dem rechten Handlungsarm, wirbelte herum und rannte wieder los.
Ein Zittern durchlief das Stock-Relais. Riesige Brocken Hyperquarz stürzten auf uns herab, doch ich schlug sie mit dem linken Handlungsarm beiseite.
Ich drückte Gon-Orbhon fester an mich, um ihn notfalls mit meinem Körper schützen zu können. Es gab nur eine Rettung für ihn; wir mussten den Stock so schnell wie möglich verlassen.
Der Boden erbebte immer stärker.
Ich erreichte das Ende des Ganges und sah den Mausbiber. Er hatte den Paratronschirm seines Raumanzugs aktiviert; das bläulich schimmernde Oval schützte ihn vor den Gewalten des Vulkanausbruchs. Noch.
Der Himmel hatte sich violett, fast schwarz verfärbt. Wenige Meter neben dem Ilt hatte sich ein weiterer Nebenschacht geöffnet, aus dem gelbes Magma brach. Ein neuerliches Erdbeben riss mich fast von den Säulenbeinen. Ich sah im bedrohlichen Halbdunkel, dass der Tempel der Degression von ihm erschüttert wurde, geradezu zerriss und in sich zusammenfiel.
Gucky rief etwas, doch ich konnte ihn in dem allumfassenden Donnern, das uns umgab, nicht verstehen. Erst als ich ihn erreicht hatte, ahnte ich den Sinn seiner Worte mehr, als dass ich sie hörte. „Lebt er noch? Ich hatte Gon-Orbhon etwas anders in Erinnerung."
Erschrocken lockerte ich den Griff des Handlungsarms. Hatte ich meine kostbare Last zerquetscht? Doch ein leises Stöhnen ließ mich aufatmen. „Die Entfernung zum Stock macht ihm zu schaffen! Wir trennen ihn von Satrugar, und das muss recht unangenehm für Gon-O sein."
„Wenn es nach mir ginge, würde er noch unangenehmere Dinge erleiden." Gucky schniefte verächtlich.
Durch meinen Kombianzug spürte ich ein schreckliches Vibrieren. Der Boden schien sich unter meinen Beinen aufzustülpen.
Die Spitze des Vulkans wurde von der ersten Eruptionsphase des Ausbruchs weggesprengt Der Gipfel des Vesuv explodierte mit einem riesigen Knall, aus dem sich öffnenden neuen Krater stieg eine gigantische schwarze Rauchwolke auf. Die Luft um uns herum schien plötzlich zu kochen.
Gucky griff nach mir, und das bekannte Zerren einer Teleportation riss an mir, doch die gewaltige Explosion, die den halben Vulkan zerriss und die Reste des Groß-Relais vernichtete, dröhnte auch nach der Rematerialisierung noch in meinem Schädel.
Fragmente einer Chronik Ich sprang auf und fuhr zu Jonter herum, meinem Stellvertreter, der sich während der Alarmbereitschaft ständig in der Zentrale befand. „Übernimm die Ortung!"
Ohne auf die Einwände des Mimasgeborenen zu hören, drückte ich ihn in den Sessel. „Dares, was soll das?", drang Harintas Stimme scharf durch
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