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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lange besteht, daß er durch sein Alter zur Ehrfurcht mahnt. Also, ich warne dich, Effendi, und ich warne den Ustad! Ich habe als Scheik ul Islam die heilige Pflicht, selbst den Irrtum zu erhalten, weil wir nur durch ihn zur Wahrheit kommen. Ihr gehört von jetzt an zu den Takikurden, und was ich als Oberster der Taki will, das hat auch jeder Dschamiki zu wollen!“
    Ah! Bisher das weiche Pfötchen; jetzt kam schon die Kralle! Etwas vorzeitig! Sein eigentliches Interesse an der Erhaltung der Ruinen konnte er mir natürlich nicht mitteilen! Glücklicherweise war ich einer Antwort enthoben, denn die beiden ‚Generäle‘ kamen soeben, und es wurde beschlossen, wieder aufzubrechen. Ich bemerkte gar wohl das befriedigte Lächeln, mit welchem sie dem ‚Schreiber‘ heimlich kundtaten, daß ihnen ihr Vorhaben wohlgelungen sei. Die Heimkehr geschah in derselben Weise wie der Ritt zum Berg; man ließ mich zurück, und es fiel mir gar nicht ein, mich darüber zu kränken. Als ich heimkam, sah ich, daß man nicht einmal mit dem Essen auf mich gewartet hatte; es war bereits im vollsten Gang. Ich nahm aber in der freundlichsten Weise meinen Platz ein und langte zu. Es machte mir heimlich Spaß, daß sich die Herren schon ganz wie zu Hause fühlten. Der Beturbante tat, als ob er nur so zu befehlen habe. Der Peder war hierüber so ärgerlich, daß er fast gar nichts genoß. Nicht etwa, daß man es an Höflichkeit hätte mangeln lassen; o nein! Man schmeichelte uns sogar in jeder Weise; zuweilen so auffällig daß es gar nicht schwer war zu erröten. Der leutseligste von allen war der ‚Schreiber‘. Er sprach nicht viel; aber was er sagte, war stets ein Kompliment für uns, welches Dankbarkeit erheischte. Er war so einfach, so bescheiden, so unendlich wohlwollend. Und all diese Einfachheit, diese Bescheidenheit, dieses Wohlwollen schien er mit Hilfe seines stetig wiederholten Augenaufschlages vom Himmel herabzunehmen. Er brachte alles so still, so geräuschlos fertig. Die andern schmatzten als Orientalen überlaut beim Essen; er als einziger nicht. Was bei ihnen klapperte und klirrte, das ging bei ihm so leise, so unhörbar vonstatten, als ob sein ganzer Körper nur von Watte sei. Aber zuweilen, wenn er sich unbeachtet wähnte, schoß aus seinem Aug ein Blick hervor, welcher, im Bild gesprochen, noch lauter schnarrte als das Rrrrrr an seinem Gaumen!
    Wir erfuhren während des Essens, daß die Perser von uns weg nicht etwa zurück nach Chorremabad, sondern hinüber zu den Takikurden wollten. Man war so unvorsichtig hinzuzufügen, daß man dies auch getan hätte, wenn unser ‚Vertrag‘ nicht zustande gekommen wäre! Hierbei kam die Rede auf die Pferdezucht der Taki, und da geschah es, daß der ‚Schreiber‘ sich zum ersten Mal zu einem zusammenhängenden Gespräch mit mir animiert zeigte. Er ahnte nicht, daß er durch dieses sein Interesse für die Pferde verriet oder vielmehr bestätigte, wer er sei. Er sagte: „Wir haben gehört, daß bei euch ein großes Rennen stattfindet, Effendi. Wer darf sich daran beteiligen?“
    „Jedermann“, antwortete ich.
    „Welches sind die Bedingungen, die Preise?“
    „Der Sieger gewinnt den Besiegten.“
    Da leuchtete sein Auge auf, und er fragte auffallend rasch:
    „Auch eure Haddedihn-Pferde?“
    „Ja.“
    „Darf man sich den Gegner wählen?“
    „Nein. Jeder stellt, was ihm beliebt. Doch es darf kein Angebot abgewiesen werden. Die Ehre allein hat zu bestimmen. Es hat niemand zu befürchten, daß ihm minderwertiges Material gegenübergestellt wird.“
    „Darf ein Pferd nur einmal rennen?“
    „Nein, sondern so oft es beliebt.“
    „Das ist vortrefflich! Wir haben beschlossen, uns zu beteiligen. Ist es erlaubt?“
    „Sehr gern!“
    „Müssen wir sagen, mit wieviel und mit welchen Pferden?“
    „Nein. Ihr bringt, so viele ihr wollt.“
    „Und ihr dürft keines zurückweisen?“
    „Nein.“
    „Muß man vorher melden, wer sie reiten wird?“
    „Auch nicht.“
    „So setze ich den Fall, daß wir eines unserer Pferde von einem Dschamiki reiten lassen wollen. Würdet ihr ihn daran hindern?“
    „Ganz gewiß nicht. Wer so ehrlos ist, dies tun zu wollen, dem haben wir niemals mehr etwas zu befehlen oder etwas zu verbieten.“
    „Seine Person bleibt also auf alle Fälle unangetastet?“
    „So lange er sich nur als Renngegner, nicht auch sonst als Feind beträgt, ja.“
    „Das ist es, was ich wissen wollte. Ich bin befriedigt. Wir betrachten uns also als angemeldet und werden

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