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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu sein. Er hätte das gewiß nicht gewagt, wenn er nicht von irgend jemand aufgefordert worden wäre, unbedingt mit nach dem Beit-y-Chodeh zu kommen. An mir vorbeigeritten war er, weil er befürchtet hatte, von mir zurückgeschickt zu werden. Eigentlich war es richtig dies nachträglich zu tun, und zwar vor aller Augen; aber es lag ja in meiner Absicht, nicht für scharfsinnig und energisch zu gelten, und so hielt ich es für geraten zu schweigen.
    Als ich oben ankam, stand der ‚Schreiber‘ mit Tifl an einer der Vordersäulen des Tempels. Der letztere schien dem ersteren die Gegend zu erklären; sie schenkten mir keine Beachtung. Sonst sah ich von den Gästen keinen. Kara und der Chodj standen bei den Pferden. Ich ritt zu ihnen hin und fragte, wo die andern Perser seien. Der Chodj antwortete:
    „Der Heilige, der Selige und der Hauptpriester kriechen in den Rosen herum. Die beiden Generäle fragten, ob es weiter oben eine schöne, freiere Aussicht gebe. Ich wies sie nach der großen Hochwaldlichtung; sie sind dorthin.“
    Er deutete nach dem Waldweg, auf dem ich am Tag des Festes von Tifl zum Essen geführt worden war.
    „Gibt es noch andere Wege nach dieser Lichtung?“ erkundigte ich mich.
    „Ja. Es sind aber Umwege. Den besten sieht man von hier aus nicht. Man muß über diesen ganzen Platz hinüber und um die Buchenecke gehen. Dann führt er grad hinauf und unter den Tannen am obern Rand des freien Platzes hin.“
    „Kann man ihn reiten?“
    „Er ist breit genug. Willst du etwa jetzt dort hinauf?“
    „Ja. Doch niemand darf es wissen. Ich muß sehen, was die Offiziere dort machen. Übrigens dürft ihr ja nicht glauben, daß sie wirklich Generäle seien. Man hat gemeint, den Mund so voll wie möglich nehmen zu müssen. Wenn man euch fragt, wohin ich geritten bin, so gebt irgendeine Auskunft, die wahrscheinlich klingt; verratet aber ja das Richtige nicht.“
    Ich ritt über den Tempelplatz hinüber und bog um die erwähnten Buchen. Dort öffnete sich der mir beschriebene Weg. Man konnte mich vom Tempel aus nicht mehr sehen. Nun trieb ich Assil zu größerer Schnelligkeit an. Ich kam durch hohe Tannen. Nach einiger Zeit wurde es rechts von ihnen licht. Da lag die Waldesblöße. Sie war ziemlich steil. Ich konnte zwischen den Bäumen hindurch die Offiziere sehen. Sie saßen ganz oben am Rand und schienen zu schreiben oder zu zeichnen. Ich war ihnen unsichtbar, weil ich mich unter den Tannen befand. Auch der übrige Teil meines Weges lag so, daß ich nicht zu befürchten brauchte, bemerkt zu werden. Oben angekommen, bog ich nach rechts. Als ich ihnen auf ungefähr siebzig Schritte nahe gekommen war, stieg ich ab. Ich legte dem Hengst die Hand auf die Nüstern und sagte nur das eine Wörtchen: „Uskut – still!“ Nun konnte ich überzeugt sein, daß er sich nicht bewegen, nicht das geringste Geräusch verursachen werde.
    Hierauf ging ich weiter. Der weiche Waldesboden machte meine Schritte unhörbar. Als ich anhielt, stand ich nur fünf Meter hinter den beiden Persern. Sie zeichneten; das sah und hörte ich. Und zwar die topographische Lage der sich von hier aus herrlich ausbreitenden Gegend. Dabei sprachen sie miteinander. Sie hielten sich für vollständig allein und taten es also nicht leise. Ich hörte jedes Wort.
    „Dieser Effendi ist der unvorsichtigste Europäer, den ich jemals sah“, sagte der angebliche Divisioner. „Er benahm sich geradezu dumm!“
    „Dafür machte der Kafi (Richter) seine Sache um so besser“, bemerkte der Brigadier. „Sein Lob war fest wie Leim; der eitle Mensch blieb daran hängen. Wie blind, daß man uns hier heraufläßt, um die Pässe und Wege zu zeichnen und die ganze Lage des Duar aufzunehmen! Wir hätten nie erfahren, wie leicht er zu umfassen ist, wenn wir es nicht mit eigenen Augen sähen. Nur erst den Ustad von hier fort und hinüber zu den Taki! Dann sind zwei Tage genügend, den Duar wegzunehmen und das ganze Gebiet der Dschamikun einzuverleiben. Dann ist es mit dieser gefährlichsten Art des Christentums für immer bei uns aus. Allah verdamme es!“
    „Jawohl zwei Tage genügen“, stimmte der andere bei. „Die vereinigten Taki und Dinarun müssen ja gradezu erdrückend wirken. Sehr gut, sehr gut, daß ein Wettrennen hier stattfindet, an dem sich der Scheik ul Islam unbedingt zu beteiligen hat. Das gibt die vortrefflichste Gelegenheit, Vorbereitungen zu treffen, die uns sonst nicht möglich gewesen wären. Wir sparen Zeit dadurch und schlagen eher

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