23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
angebliche Scheik ul Islam schnell ein, um seinen ‚Schreiber‘ aus der sichtlich sehr großen Verlegenheit zu reißen. „Wir befinden uns hier bei den Dschamikun, aber noch nicht im Himmel. Wir sind auf der Erde, und da muß ich dich bitten, Effendi, anzuerkennen, was hier im Land gilt, nämlich die Oberhoheit Mohammeds!“
Er glaubte, einen Trumpf ausgespielt zu haben; ich aber antwortete:
„Ja, wir sitzen hier bei den Dschamikun und haben uns nach dem zu richten, was hier im Lande gilt. Das ist aber nicht die Hoheit Mohammeds!“
„Doch!“ fuhr er auf. „Ihr seid seit heute Taki-Dschamikun und habt also an Mohammed zu glauben! Das ist es ja, was wir erreichen wollten. Wir haben es mit Salz und Brot besiegelt, und ihr könnt nicht mehr zurück. Bei uns gilt das Wort: Ein Schurke, der nicht hält, was er bei Salz und Brot verspricht! Willst du ein Schurke sein?“
Da stand ich langsam auf, steckte die Hände gemächlich in den Gürtel und sprach:
„Was ist uns angetragen worden, und was haben wir angenommen und besiegelt? Das ganze Gebiet der Takikurden solle heut in die Hand des Ustad übergehen! Er soll ihr Ustad sein, nichts anderes! Du sagtest wörtlich: ‚Die Vereinigung der beiden Stämme soll sich in der Hand und unter der Aufsicht des Ustad vollziehen, und er wird der Gebieter dieses neuen Stammes sein!‘ Das ist mit Salz und Brot besiegelt worden. Nun frage ich, wer wird jetzt Schurke sein?“
Keiner antwortete. Da sprach ich weiter:
„Es gibt also für die Taki-Dschamikun keinen andern Gebieter als den Ustad. Und da ich an seiner Stelle vor euch stehe, so bin ich der Herr, dem man hier zu gehorchen hat, hier und drüben bei den Taki. Wo ist der andere, der uns befehlen will, was wir zu glauben haben? Er stehe auf wie ich und stelle sich vor mich her! Ich möchte nämlich gern wissen, was für Augen so ein Schurke macht!“
Keiner regte sich. Sie sahen alle vor sich nieder. Aber die Augen des Peder funkelten, und der Chodj-y-Dschuna lächelte leise vor sich hin.
„Ihr schweigt“, fuhr ich fort. „So beantwortet wenigstens meine andern Fragen! In wessen Machtvollkommenheit kamt ihr hierher, um uns dieses vermeintliche Geschenk zu machen? Sandte euch der Landesherr, der Schah-in-Schah? Wurdet ihr vom Stamm der Takikurden geschickt, die sich nach unserm Ustad sehnen? Haben sie eine Dschema abgehalten und beschlossen, daß er ihr Herr und Gebieter werden solle? Seid ihr die Gesandtschaft, welche sie schicken, uns dies mitzuteilen? Wo ist die Unterschrift des Schahs? Wo sind die Siegel der Ältesten des Stammes? Habt ihr es denn wirklich für möglich gehalten, daß es euch gelingen werde, mit uns ein solches Kara göz ojunu (Schattenspiel, Posse) aufzuführen? Muß ich es für Wahrheit halten, daß ihr so töricht wäret über den Fortbestand der Ruinen uns Befehle erteilen zu können? Ich glaubte, es sei ein schlechter Scherz! Welch ein Wahnsinn, zu denken, daß wir auf leere Worte hin euch sofort alles, was wir sind und was wir haben, gehorsam vor die Füße werfen, um dann im neuen Stamm so viel wie nichts zu sein! Ihr habt ja nichts, doch sage ich: Gebt mir das ganze Land, gebt mir die ganze Welt, so könnt ihr die Ruinen, die euch so sehr am Herzen liegen, doch nicht retten! Kommt ihre Zeit, so brechen sie zusammen, denn diese Zeit wird keinen Scheik ul Islam um Erlaubnis fragen!“
Da sprang der ‚Schreiber‘ schnell wie eine Spannfeder auf. Seine Augen waren jetzt ganz andere. Sie blitzten mir in plötzlich offenem Haß entgegen, und er rief aus, indem auch die andern sich erhoben:
„Das, das ist also der wahre, der wirkliche Effendi, nicht der kranke, schwache, der sich so wunderbar zu verstellen wußte! Der Effendi, der nichts, gar nichts ist in seinem Land und doch hier den Herrn und Pascha spielen will! Ich weiß nun genug von dir, du aber nichts von mir. So will ich dir denn sagen –“
„Daß du der große Scheik ul Islam bist, der zu uns kommt, nur um uns anzulügen!“ fiel ich ihm in die Rede. „Ich weiß noch mehr von dir, doch mag schon das genügen. Wer sich für Allahs höchsten Auserwählten hält und heimlich sich als Inbegriff des ganzen Korans betrachtet, der sollte dies doch offen und ehrlich zeigen und nicht in trügerischer Demut zur Niedrigkeit des Katib niedersinken!“
Da verschränkte er die Arme auf der Brust, richtete sich hoch auf und fragte:
„Bist du fertig?“
„Mit dir? Ja!“
„Aber nicht ich mit dir! Denke an das Rennen! Das wird
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