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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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los.“
    „So weit steht alles gut. Was aber wird der Schah dazu sagen? Man weiß, daß er den Ustad schätzt und schützt.“
    „Das überlaß dem Scheik ul Islam. Er sprach doch gestern von einem Vertrauten, der bei dem Ustad wohnen und alle seine Bücher, Schriften und Geheimnisse untersuchen wird. Dieser Mann soll der beste Muzabirdschi (Wegfuchsler, Taschenspieler) sein, den wir im Land haben. Er stammt aus Isfahan, wo er vor langer Zeit einen Koch kennen lernte, dessen Tochter jetzt Köchin des Ustad ist. Er wurde in Teheran wegen schwerer und sehr pfiffiger Diebstähle zu mehreren Jahren Gefängnis bestraft, entfloh aber von dort und hielt sich lange Zeit hier in den Ruinen versteckt, wohin ihm die Köchin das Essen heimlich brachte. Wie er da von unserer Seite entdeckt wurde, das habe ich nicht erfahren, aber der Scheik ul Islam nahm sich seiner an und will ihm unter gewissen Bedingungen dazu verhelfen, von seiner Strafe frei zu werden. Welche Bedingungen das sind, geht uns nichts an; ich kann sie mir aber denken. – Nun bin ich fertig mit meiner Zeichnung.“
    „Ich fast auch.“
    „So beeile dich, damit man nicht auf unsere Abwesenheit aufmerksam wird und Verdacht schöpft.“
    Als ich das hörte, zog ich mich schnell zurück. Assil stand noch genau so, wie ich ihn verlassen hatte. Ich stieg auf und ritt denselben Weg hinunter, den ich heraufgekommen war. Hinter den Buchen schlug ich dann noch einen Bogen nach auswärts, so daß es, als man mich kommen sah, den Anschein hatte, als sei ich abwärts, aber nicht aufwärts geritten gewesen. Der Chodj und Kara befanden sich noch an derselben Stelle. Die Perser waren jetzt beisammen. Sie standen im Innern des Tempels, Tifl bei ihnen. Ich stieg am Beit-y-Chodeh ab und ging zu ihnen hinauf. Als ich kam, wandten sie sich mir zu, und der angebliche Scheik ul Islam fragte, indem er nach den Ruinen hinüberdeutete:
    „Weißt du vielleicht, Effendi, was das für ein altes, sonderbares Bauwerk ist da drüben?“
    „Das wollte ich soeben dich fragen“, antwortete ich. „Du weißt ja, daß ich weder Priester oder Offizier, noch Beamter oder sonst etwas von Bedeutung bin. Wie kann ich also, noch dazu als Europäer, hierüber besser Auskunft geben als du, der als ein Licht des Glaubens hoch über allem Wissen und aller Kenntnis steht!“
    Er warf einen lächelnden Blick auf den ‚Schreiber‘, nickte mir wohlwollend zu und sprach:
    „Du hast recht. Für die von Allah Erleuchteten liegt alles klar und offen da, was selbst das scharfe Auge der Wissenschaft niemals erkennen wird. Dieses Bauwerk war der Abgötterei gewidmet, dem Götzendienst, der uranfänglich nur Bilder verehrte, doch zuletzt sogar auch Idole anbetete, welche Menschen gewesen waren. Indem du da hinüberschaust, wirst du an alle Religionen erinnert, nur allein an unseren Islam nicht. Wie kommt das wohl? Weil der Islam die einzige Religion ist, welche Gottes Befehl erfüllt, daß wir uns kein Bild noch irgendein Gleichnis machen sollen. Oder hast du jemals eine Moschee gesehen, in welcher das Bildnis eines Menschen hängt, um verehrt zu werden?“
    „Nein“, antwortete ich im Ton kindlichster Unbefangenheit. „Das habt ihr doch nicht nötig. Denn eure ‚Heiligen‘ und ‚Seligen‘ werden nicht erst nach dem Tod, sondern schon hier im Leben derart vor andern Menschen ausgezeichnet, daß sie auf spätere Anbetung recht wohl verzichten können.“
    Bei diesen Worten machte ich dem Heiligen und auch dem Seligen eine tiefe, ehrfurchtsvolle Verbeugung. Sie bedankten sich mit gütigem Kopfnicken. Der Mann mit dem großen Turban aber sah mich mit einem zweifelhaft prüfenden Blick an, ob nicht vielleicht hinter dieser meiner Unbefangenheit etwas anderes stecke. Wahrscheinlich konnte er in meinem Gesicht nichts Verräterisches entdecken, denn er fuhr fort:
    „Wir haben gehört, daß der Ustad beabsichtigt, mit diesem alten Bauwerke aufzuräumen. Er will die Überreste aus jenen götzendienerischen Zeiten abtragen. Warum? Wozu will er dieses kolossale Material verwenden, welches er doch nicht einfach verschwinden lassen kann? Wir können uns mit einem solchen Vorhaben unmöglich befreunden. Bis heut schwiegen wir dazu. Nun wir aber den Bund mit dir und ihm geschlossen und besiegelt haben, steht uns das Recht zu, Einspruch zu erheben. Diese Bauten haben zu bleiben, wie sie sind! Sie sind ein Denkmal der Vergangenheit, an welchem nicht gerüttelt werden darf. Denn selbst der Wahn wird heilig wenn er so

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