23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
nun ein ganz anderes! Nehmt euch in acht; wir kommen. Ich sage dir nur einen einzigen Namen: Ich bringe euch das beste Pferd von Luristan und lasse alle eure Mähren niederreiten! Und noch ein anderes habe ich. Was das für eines ist, das werdet ihr zu eurem Leid erfahren!“
Er wandte sich ab und schritt in stolzer Haltung zur Halle hinaus. Die andern folgten, ohne ein Wort zu sagen. Sie würdigten uns keines Blickes mehr. Bald ritten sie den Berg hinab, und der Peder sorgte dafür, daß sie, wenn auch nur von weitem, bis zur Taki-Grenze begleitet wurden. Wir gingen zu ihm hinaus in den Hof. Er wandte sich zu mir.
„Das war ein Schlag über sämtliche Köpfe, Effendi!“ sagte er. „Wer hätte das gedacht, nachdem du dir vorher alles so ruhig gefallen ließest! Keiner konnte antworten! Nun reiten sie als offenbare Schurken fort! Das wird man überall erfahren, und jeder, der auf Ehre hält, wird sich vor ihnen hüten! Aber die Rache nun, die Rache! Fürchtest du sie nicht?“
„Nein“, antwortete ich. „Sie wird ganz denselben Erfolg haben wie ihre heutige Pfiffigkeit – – – Hiebe über die Köpfe. Nur dürfen wir nicht so tun, wie du wolltest, nicht vorschnell handeln. Wir lauschen, bis wir wissen, was sie wollen. Dann aber warten wir nicht etwa, bis es ihnen beliebt, sondern wir machen es wie jetzt: Wir erheben uns ganz unerwartet von dem Sitz und schlagen derart los, daß sie sofort die Mäuler halten müssen. Der wahrhaft Kluge scheut sich nicht, für übertölpelt angesehen zu werden, weil er schweigt. Er ist nur still, die Feinde zu durchschauen. Doch kommt dann seine Zeit, so schont er selbst den Höchsten nicht, auch keinen Scheik ul Islam, um zu zeigen, wer eigentlich der Schuft, der Tölpel war!“
Eben als ich das sagte, kam Tifl aus dem Garten. Er saß auf der Sahm, die vollständig gesattelt war, und wollte zum Tor hinaus.
„Wohin?“ fragte ich, indem ich mich ihm in den Weg stellte und nach dem Zügel griff.
„Ausreiten“, antwortete er. „Die Sahm auf das Wettrennen üben.“
„Du reitest sie nicht. Wozu also das Üben! Steig ab!“
„Unser Ustad sagte es mir!“ entgegnete er, indem er ruhig sitzen blieb.
„Der Ustad bin jetzt ich, und du steigst ab, sofort! Du wirst auf diesem Pferd nie wieder sitzen!“
„Warum?“
Der Mensch sah mich bei dieser Frage so an, als ob er entschlossen sei, mir Widerstand zu leisten. Es fiel mir natürlich nicht ein, mich selbst an ihm zu vergreifen. Ich drehte mich vielmehr zu dem Peder, dem Chodj und dem jungen Haddedihn um und forderte den letzteren auf:
„Kara, herab vom Pferd mit diesem Kerl!“
Ein fröhlicher Blitz ging über sein Gesicht. Ein schneller Sprung und Schwung so saß er hinter Tifl auf der Stute, und im nächsten Augenblicke flog der Lahme herunter auf die Erde.
„Effendi, warum das?“ fragte der Peder erstaunt. „Unser ‚Kind‘ hat doch die Erlaubnis, jederzeit zu –“
„Warte!“ unterbrach ich ihn. Dann wendete ich mich an Tifl der sich vom Boden aufrichtete und nun ganz verlegen dreinschaute:
„Warum hängen an der Sahm die Satteltaschen? Warum trägst du nicht bloß die Mütze, sondern auch das Turbantuch darüber? Warum hast du Schuhe an und auch den Mantel über deiner Jacke? Reitet man so aus, um zu üben?“
Er gab keine Antwort, doch verwandelte sich die Verlegenheit seines Gesichtes in den Ausdruck des Trotzes.
„Wo wolltest du hin?“ fragte ich weiter. „Glaubtest du wirklich, nicht durchschaut zu sein und mir die Sahm entführen zu können, du undankbarer Bube? Vergiltst du so die Wohltat mit Heimtücke und Verrat? Du willst den Persern nach, mit ihnen zu den Takikurden hinüber! Du sollst beim Rennen gegen uns und für den Scheik ul Islam reiten! Ich hindere dich nicht; ihr paßt ja gut zusammen. Ich spreche dich von unserm Stamm los und überlasse dich den Feinden drüben. Du magst getrost zum Rennen kommen; es wird dir nichts geschehen. Doch nach demselben trolle dich sofort! Verräter dulden wir in unserm Bereich nicht!“
Er machte nicht den geringsten Versuch, meine Behauptungen zu widerlegen. Da rief der Peder aus:
„Ist das die Möglichkeit? Für solche Wohltat so verfluchter Lohn! Effendi, dieser Mensch sollte gepeitscht werden!“
„Nein! Ich will ihm sogar seinen Fortgang noch erleichtern. Er bekomme eines der zurückbehaltenen Soldatenpferde, doch mögen zwei Dschamikun ihn begleiten, bis er die Perser erreicht. Besorge das sogleich! Jetzt fort mit ihm!“
„Ich
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