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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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selbst werde ihn hinunterbringen. Komm!“
    Er faßte ihn beim Mantel und schob ihn vor sich her zum Tor hinaus. Der Chodj-y-Dschuna verabschiedete sich von mir und ging ihnen nach. Zu Kara aber sagte ich:
    „Du siehst, was du mir über diesen Tifl sagtest, hat schnelle Frucht gebracht. Heut abend habe ich etwas vor, was niemand wissen darf. Halte dich bereit, mit mir nach dem See hinunterzugehen, wenn alle schlafen!“
    Da schaute er in herzlicher Freude zu mir her und sagte:
    „Ein Abenteuer, ein verschwiegenes! Mit dir, Effendi! Ich weiß, was dieses Vertrauen bedeutet, und danke dir dafür!“
    Er zog meine Hand an sein Herz. Dann ging ich in die Wohnung des Ustad, um die Karte des Schahs an ihre Stelle zurückzulegen. Ich hatte sie nicht gebraucht.
    Der übrige Teil des Tages war nur dem Schlaf und der Sammlung weiterer, neuer Kräfte gewidmet. Am Abend aßen wir in der Halle. Ich hatte erfahren, daß nach dem Wettrennen eine Beleuchtung sämtlicher Höhen stattfinden solle. Es waren auch schon viele Fackeln angefertigt worden, darunter sehr lange und starke von Palmenfaser, welche mehrere Stunden lang brennen und nur schwer zu verlöschen sind. Ich ließ mir von Schakara heimlich ein halbes Dutzend von diesen geben und nahm sie nach dem Essen mit hinauf zu mir. Schakara wurde überhaupt mit in das Geheimnis gezogen, denn ich brauchte jemand, der für mich und Kara das Tor offenzuhalten hatte. Was ich tun wollte, war nicht ungefährlich. Darum teilte ich es ihr mit, daß ich die Absicht habe, vom See aus in den versteckten Kanal einzudringen, und forderte sie auf, nur höchstens drei Stunden auf uns zu warten und, falls wir da noch nicht zurückgekehrt seien, uns schleunigst Hilfe zu senden.
    Als man zur Ruhe gegangen war, nach zehn Uhr, begab ich mich in den Hof. Kara stand bereit, Schakara war bei ihm. Ich wiederholte ihr, wie ich mir ihre etwaige Hilfe dachte. Er nahm die mitgebrachten Fackeln; dann gingen wir. Im Duar gab es kein Licht. Man schlief auch hier bereits. Am Landeplatze fanden wir das Boot. Es war nur angebunden. Die beiden Ruder hingen in den Dollen. Wir stiegen ein und paddelten uns leise nach der Stelle, welche ich untersucht hatte. Es war nicht schwer, die Maueröffnung hinter dem Gestrüpp aufzufinden. Wir stellten das Boot rechtwinkelig dagegen an und gaben hinten einige kräftige Ruderschläge. Es drang mit seiner ganzen vorderen Hälfte ein. Wir nahmen die Ruder in das Boot, bückten uns nieder und krochen unter dem nun auseinandergeteilten Rankengewirr bis an die Spitze des Kahns vor. Nun war der Sternenhimmel über uns verschwunden. Wir befanden uns in dichtester Finsternis. Die Ruder an uns nehmend, tasteten wir mit ihnen rechts und links aus dem Kahn heraus. Wir fühlten harte Wände und stießen uns an diesen so weit hinein, daß auch das Hinterteil des Fahrzeugs durch das Gestrüpp kam. Hierauf zog ich das Schibhata (Zündhölzer) aus der Tasche, um eine der Fackeln anzubrennen. Bei ihrem Schein sah ich ein ganz vorn im Schnabel des Bootes befindliches Loch, in welches ich sie steckte. Später hörte ich, daß dieses Loch genau zu diesem Zweck angebracht worden sei, weil die Dschamiki des Abends gern rund um den See zum Nur-y-Saratin (Krebsleuchten) ruderten.
    Der Kanal war hier, am Anfang, sehr schmal. Aber als wir uns eine Strecke weit fortgegriffen hatten, traten die Wände doppelt weit zurück, und auch die Höhe nahm in demselben Verhältnisse zu. Die Luft war kalt und feucht, doch gut und leicht zu atmen. Die Wände und die Decke bestanden aus den schon oft erwähnten Riesenquadern. Nun schoben wir uns statt mit den Händen mit den Rudern fort. Der Kanal ging stetig geradeaus. Das Wasser war tief und schwarz, dabei aber durchsichtig wie Kristall. Das Bild unserer ruhig brennenden Flamme schaute wie aus unergründlicher Tiefe zu uns herauf.
    Ich war so vorsichtig gewesen, die Länge des Kanals abzuschätzen, natürlich nur so ungefähr, bloß mit dem Auge. Die Zahl der Quader gab mir den Anhalt hierzu. Vierzig, sechzig, achtzig Meter! Ein solcher Aufwand von Material und Arbeitskraft konnte nicht bloß den Zweck einer einfachen Zu- oder Ableitung des See- oder Bergwassers haben. Es mußte noch ganz andere Gründe gegeben haben, diesen Zu- oder Abfluß nicht oben vor aller Augen, sondern hier unten in der Verborgenheit geschehen zu lassen. Wenn ich mich in die ferne Zeit zurückdachte, in welcher diese Bauten entstanden waren, so drängte mir die von unserer Fackel kaum einige

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