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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mir verzeiht, hat nur sich selbst verziehen. Und weil ihr dies getan, so will ich euern Wahn und euern Selbstbetrug nicht länger strafen. Ihr habt gesühnt; so geb ich euch denn eure Schatten wieder: Es werde also Licht!“
    „Licht!“ rief ich. „Licht!“ rief das Gerippe. „Licht, Licht, Licht!“ wiederholten alle die Geister, und „Licht – Licht – – Licht – – – Licht!“ klang es hinaus bis in den tiefsten Winkel, und alle Säulen zitterten und bebten.
    Da plötzlich war die lichte Schicht verschwunden, die auf der dunkeln Flut gelegen hatte, und Finsternis lag wieder um uns her. Doch es erklang ein Ton, so weich und doch so hell, so lind und mild und doch so siegreich klar. Wo kam er her, und wo ließ er sich nieder? Aus einer andern Welt – – – im Bild neben mir. Erst war er nur zu hören, doch bald dann auch zu sehen, ein wunderbarer, heiliger Farbenton! Wie Sonnengold, vermählt mit Himmelsblau! Wo seine Quelle lag? Im Alabaster! Das Bild ward nicht von außen her beschienen. Es trug das Licht in sich und warf darum auch keine Spur von Schatten. Erst leise, wie ein Morgenhauch beginnend, entwickelte die reine, keusche Klarheit sich nach und nach zum tageshellen Glanz, so daß es war, als leuchte uns die Sonne. In dieser Helligkeit erschien mir das Gerippe und alle, die in tiefem Staunen lagen, so fratzenhaft, so schrecklich widerwärtig daß ich mit meinem Blick von ihnen floh und ihn an der Figur nach oben sandte.
    Was ich da sah, das ward noch nie gesehen, weil keine Kunst noch je soSchönes schuf! Doch leider stand ich ja so dicht am Bild, daß jetzt nur seine Größe auf mich wirkte. Wie klein, wie klein kam ich, der Mensch, mir vor!
    Da sprach der Zauberer:
    „Es wurde Licht! Soll es nun wachsen, bis es Euch verzehrt? Flieht schnell hinaus, der Schatten wird Euch retten!“
    „Es gibt ja keinen Weg; wir sind für ewig, ewig eingeschlossen“, antwortete das Skelett. „Wird dieses Licht zur Schattenlosigkeit, so sind wir alle, alle hier verloren! Die Sage zwar erzählt von diesem einen, daß er den Schlüssel Hephata besitze, und bis zu diesem Augenblick ist alles, was sie sagte, eingetroffen, doch diese Felsen und Gigantenmauern sind für das Hephata ja wohl zu stark!“
    Da rief ich aus:
    „Ich habe ihn, den Schlüssel, und keine Stärke kann ihm widerstehen! Ich war schon einmal hier; da wurde er erprobt. Gebt Raum für uns da unten! Wir kommen jetzt hinab und führen euch hinaus!“
    „Hinaus, hinaus!“ jauchzte das Gerippe.
    „Hinaus, hinaus, hinaus!“ jubelten die andern.
    „Hinaus – hinaus – – hinaus – – – hinaus!“ frohlockte es im vorderen Bassin, daß alle Säulen dröhnten und Stein um Stein sich vom Gewölbe löste.
    Ich sprang in das Wasser, der Zauberer mir nach. Indem die Köpfe sich bemühten, eine Gasse für uns zu bilden, schaute ich zurück und aus dieser weiteren Entfernung an dem Bild hinauf. Es strahlte schon so stark, daß mich sofort die Augen schmerzten. Da wandte ich mich schnell wieder zurück und griff mit beiden Armen aus, um durch die Wasserflut der Lichtflut zu entgehen. Der Zauberer hielt sich an meiner Seite. Die anderen folgten; keiner blieb zurück!
    Der Glanz drang unter der hängenden Mauer auch in das vordere Becken und verbreitete dort eine Art von Dämmerung welche mir den Weg genügend deutlich zeigte. Ich schwamm nicht an den Seitenkanälen vorüber, sondern quer zwischen den Säulen hindurch gleich nach dem Hauptkanal, wo der letzte Lichtreflex verloren ging und wir uns infolgedessen in dieser tiefsten Finsternis befanden. Das konnte aber nicht stören, weil der Weg uns durch die engen Seitenmauern vorgeschrieben war. Wir konnten weder rechts noch links abweichen, sondern nur immer vorwärts, vorwärts, vorwärts, und daß die anderen folgten, das hörten wir an ihrem Schwimmgeräusch, welches in dieser steinernen Röhre wie dumpfes Meeresbrausen rauschte.
    Viel leichter als früher mit dem Boot kam ich durch das Gestrüpp hinaus ins Freie, in den See. Um Platz zu machen, schwamm ich da erst eine Strecke gerade aus und drehte mich dann um. Der Zauberer war bei mir. Vor mir hielt das Gerippe. Hinter ihm sah ich seine Scharen, die so zahlreich waren, als ob der Kanal sich gar nicht entleeren könne. Es kamen immer mehr, immer mehr aus ihm hervor. Ich sah sie deutlich, denn die Sterne leuchteten, und die schmale Sichel des ersten Viertels stand grad über uns am Himmel. War es möglich, daß alle, alle

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