Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
von dem breiten Steinbruchweg der Zugang zu diesem Vorhof ein viel kürzerer und leichterer war. Das hatte nichts Auffälliges. Dennoch hielt ich ihre letzten Worte fest und fragte, als ich sie erreichte:
    „Des Nachts? Weißt du das so genau?“
    „Wie aufmerksam du bist und alles gleich bedenkst!“ antwortete sie, indem sie das Gefäß zu Boden setzte. Es waren wirklich Hubub (Beeren) darin. „Ich bin allerdings schon hiergewesen, des Nachts.“
    „Allein?“
    „Allein und doch nicht allein. Von unseren Leuten war niemand hier, dafür aber andere.“
    „Wer?“
    „Ja, wer das wüßte! Ich wollte dir es später sagen, weil du dich schonen sollst. Aber weil du nun einmal hier bist und auch gleich fragst, will ich es dir nicht länger vorenthalten. Du weißt, daß ich mich bei den Dschamikun befinde, um zu beobachten; was, das sage ich dir schon noch. Ich gehöre nicht zu den Frauen, welche vor der Nacht erschrecken und sich fürchten, wenn es dunkel ist. Wer nur das Gute will, braucht nirgends Angst zu haben. Und ich liebe grad das Sternenfirmament und den guten Mond, der so verschwiegen tut und doch so gern erzählt, wenn man ihn nicht verachtet.“
    „Ich auch.“
    „Auch du? Wieder ähnlich! Das war also der Mond, mein alter lieber Freund, der kam zu mir, als ich nicht weit vom Garten saß, und zeigte mir die magische Gewalt der alten Mauern, der man kaum widerstehen kann, wenn sie in seinem Glanz wie erzittern. Ich mußte mich erheben und mit ihm hier herüber. Wie kam es doch, daß er mich grad bis dort zur Ecke führte, wo der Gedanke auf mich wartete, mich in den tiefen Schatten hinzusetzen? Der Abend war so schön. Er wartete auf seine Mitternacht. Und als sie kam, floß silbern ihr Gewand, und auf dem Haupt trug sie alle Sterne. Doch hinter ihr kroch leise es heran, verstohlen, heimlich, jeden Laut vermeidend, fast so, wie ich mir ein Gewissen denke, das sich durchs Leben nur noch schleichen kann. Es waren Menschen. Sie kamen nicht zusammen, sondern einzeln. Dort von dem breiten Pfad nach hier herüber und huschten alle nach der engen Tür, in welcher sie verschwanden. Der letzte kam nach einer längeren Pause. Sein Angesicht war schwarz; wovon, das konnte ich nicht sehen, weil ich so fern von seinem Weg saß. Er war sodann der erste, der, wie mir schien, nach einer halben Stunde den Bau verließ und nach den Brüchen ging. Nach wieder einer Pause erblickte ich den nächsten, der ihm folgte. Sie kamen allesamt zurück, doch ebenso vereinzelt wie vorher. Ich hatte sie gezählt und schlich dem letzten nach. Er stieg nicht ganz hinunter. Er wandte sich zur Seite, um den Duar herum, als ob er ihn vermeiden müsse und doch hinüberwolle nach dem See. Das lenkte meinen Blick hinaus ans Wasser. Ich habe scharfe Augen, und günstig war mir meines Freundes Licht. Ich sah, daß Reiter sich von dort entfernten, genau so einzeln wie die Fremden hier.“
    „Hat sich diese Beobachtung später wiederholt?“ fragte ich.
    „Nein. Ich sah es nur einmal.“
    „Wieviel Personen waren es?“
    „Sechs, mit dem letzten.“
    „Kannst du dich vielleicht auf den Tag besinnen?“
    „Sehr genau. So etwas merkt man sich. Am nächsten Montag werden es vier Wochen.“
    „Sprachst du mit irgend jemand schon davon?“
    „Nein.“
    „Warum nicht?“
    „Ich schwieg weil das mit meinem Zweck zusammenhängt, doch dachte ich sehr oft darüber nach. Ich wollte an demselben Mondestag mich wieder dorthin an die Ecke setzen, um zu erfahren, ob sie kommen würden.“
    „Schakara!“ rief ich da aus.
    „Was, Effendi? Worüber bist du so überrascht?“
    „Daß du so deutlich ahnst! Daß das in dir so klar am Tag liegt, was ich aus der Verborgenheit mit aller Mühe zerre! Du sollst die Seele sein und bist sie wirklich! Dschanneh, Dschanneh, die sicherer empfindet und überzeugender das Ferne schaut, als es dem Geist, dem stolzen, möglich ist!“
    „Dschanneh?“ fragte sie. „Hast du dieses Wort von Marah Durimeh gehört? Es ist mein Kosename. So nannte sie mich stets, wenn sie mich zärtlich, lobend an sich zog und mir das Haar mit Mutterlippen küßte.“
    „Wirklich? Wirklich? Kosename? Mein Kind, wenn Marah Durimeh in solchem Augenblick dir einen Namen gibt, so liegt in diesem Kosen tiefste Wahrheit. Man ruft dich ‚Schakara‘, damit du dankbar seist. Wofür? Nicht nur Dschanneh zu heißen, es wirklich auch zu sein!“
    „Ich verstehe dich nicht, Effendi, und doch fühle ich, daß du nichts Falsches sagst. Ich sprach

Weitere Kostenlose Bücher