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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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abgebrochen. Sie und das Loch hier verraten mir das. Wenn man in dieser Weise hinaufklettert und die Stange nach sich zieht und sie lang niederlegt, kann man fast sicher sein, nicht entdeckt zu werden.“
    „Das leuchtet mir ein, Effendi. Wer mag wohl der Betreffende gewesen sein?“
    „Ein Dschamiki keinesfalls, denn ein solcher hätte es nicht nötig gehabt, zu einem solchen Behelf zu greifen.“
    „Kein Dschamiki – – –!“ sagte sie nachdenklich. „Effendi, da fällt mir etwas ein. Ich habe eine solche ganz roh zugeschnittene Stange gesehen.“
    „Wo?“
    „Droben in dem Quaderturm, wo ihr den Aschyk ergriffen habt.“
    „Wann?“
    „An dem Morgen, an welchem ich hier nach diesen Spuren suchte. Ich ging dann durch die obere Etage, auch in den Turm. Da sah ich ein Fichtenstämmchen liegen, ganz so, wie du es beschrieben hast. Auch die Länge stimmt. Ich dachte, ein Dschamiki sei hier gewesen; darum fiel es mir nicht auf. Am Nachmittage kam ich wieder hin; da war es weg.“
    „Ah, der Aschyk! Er! Er belauschte die Pädärahn! Also gehört er nicht zu ihnen! Falls er ein Sill ist, ist er nur ein gewöhnlicher! Hat er dem Scheik ul Islam hierüber zu berichten? Oder tut er es nur, weil er zu den Sillan gehört, die sich gegen ihren Emir empören wollen? Es gilt, nicht allzu schnelle Schlüsse ziehen. Wir haben ja Zeit, hierüber nachzudenken. Komm!“
    Wir gingen. Draußen wandten wir uns nach der dritten Tür, die nach dem langen, schmalen Saal führte. Wir fanden nichts Auffälliges. Aber als wir an sein Ende kamen, gab es keine Wand, sondern einen Schutthaufen, der nicht ganz bis hinauf zur Decke reichte.
    „Schakara!“ rief ich laut und verwundert aus. „Mein Traum, mein Traum! Das ist das Geröll, ganz genau das Geröll, von welchem herunter mich der ‚Zauberer‘ beobachtete! Mich dünkt, ich müsse seinen Kopf da oben erscheinen sehen. Das ist doch sonderbar!“
    „Sonderbar?“ fragte sie. „Effendi, Effendi, du weißt wirklich noch gar nicht viel von deiner Seele! Und doch seid Ihr auf Euer Müdschewwedet (Psychologie) so stolz! Suchst du nicht auch nach der Treppe, auf welcher du im Traum hinaufgestiegen bist zum Schatten an der offenen Tür?“
    „Die liegt drüben auf der andern Seite, die zugemauert ist.“
    „So laß dort öffnen, und ich bin überzeugt, daß sie vorhanden ist!“
    „Das werde ich wohl tun, jedoch zu seiner Zeit. Jetzt möchte ich hinaus, nur wieder an die Sonne! Aber warte; da fällt mir etwas ein. Da hinter diesem Schutt geht es ja tief hinunter in das Wasser, wo der Aschyk ist. Ich muß ein Lebenszeichen von ihm haben!“
    Ich kletterte hinauf. Sie folgte mir sogleich, indem sie mein Gewand ergriff.
    „Um Chodehs willen, stürze nicht hinab!“ warnte sie.
    „Keine Sorge! Ich bin vorsichtig!“
    „Ich halte dich dennoch und lasse dich nicht los! Stürzest du, so gehe ich auch mit unter!“
    „Das ist Dschanneh, Dschanneh, die Seele, die mit dem Geist steigt und mit ihm fällt!“
    Der Haufen war oben breit und fest, doch nahm ich mich in acht. Schakara hielt mich trotzdem noch fest. Ich atmete hier eine feuchte Luft. Die Decke über mir war von Schimmel überzogen. Nun rief ich laut, wieder und wieder. Nach dem dritten Mal kam Antwort, aber was für eine! Es war, als ob da unten hunderte von Stimmen zeterten und brüllten, eine Folge des vielfachen Widerhalles. Verstehen konnte ich nichts. Doch genügte es ja, zu wissen, daß er noch lebte und nicht vom Stein herabgeglitten und ertrunken war. Ich kroch also zurück und stieg hinab zum festen Boden. Da wischte Schakara sich den Schweiß von der Stirn und bat:
    „Effendi, nie, nie wieder so etwas Fürchterliches! Das mußt du mir versprechen!“
    „Ich denke, du hast weder Furcht noch Angst?“ antwortete ich.
    „Nur um mich selbst! Für andre aber kann und muß ich zittern! Komm schnell hinaus! Ich muß dich draußen sehen!“
    Sie zog mich fort und gab mich erst dann wieder los, als wir den Vorhof erreicht hatten. Sie konnte nicht anders; es lag in ihrem Wesen. Nun atmete sie auf, tief und froh, und sprach:
    „Da drin sah ich nichts als den Untergang als das Verderben! Die Zeit ist da; es kracht schon überall! Hier aber stehe ich im klaren Sonnenlicht und sehe schon von fern die Hilfe kommen. Im Osten sind bereit die Kalhuran, und dort, wo sich die höchsten Berge öffnen, erscheint die Hilfe Marah Durimehs. Ich brauche ihr das Zeichen nur zu geben, so sendet sie die kampfgewohnten Scharen, die sie

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