23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
höflich auf. Auch mein Kritikaster kam langsam und seufzend in die Höhe.
„Der Esel hat mich abgeworfen, Effendi“, antwortete er, fast weinend über die von dem Tier an ihm verübte Niederträchtigkeit.
„Ohne daß dir der Weg versperrt worden ist, wie ihr es bei mir tatet?“
„Ja, ohne!“ gestand er, indem er nun wirklich und laut zu heulen begann.
„Beruhige dich, mein Junge. Das ist weiter nichts! Du bist nicht der erste und wirst nicht der letzte sein, der über andere kritisiert und dann vom eigenen Esel abgeworfen wird. Damit ist das Rennen zu Ende. Aber trotzdem sollt ihr euer Pul-i-Säfid haben. Hier; teilt euch drein, Jungens!“
Ich griff in die Tasche und warf das Silberstück unter sie hinein. Sie stürzten sich alle über dasselbe her, am schnellsten der soeben noch heulende Schlingel. Seine Kreuzschmerzen wurden durch den Anblick des Geldes augenblicklich kuriert. Ich aber ritt vergnügt von dannen, um, daheim angekommen, zu meinem Hadschi Halef hinaufzusteigen. Er war wach, und zwar noch munterer als gestern. Kara hatte ihm erzählt, was ich in Beziehung auf meine etwaige Beteiligung am Rennen gesagt hatte, und er war darüber so begeistert, daß er mich mit den Worten empfing:
„Hamdullillah, wir werden das Rennen gewinnen, Sihdi!“
„Wer behauptet das?“ fragte ich.
„Ich, Hadschi Halef Omar, der Scheik der Haddedihn vom großen Stamm der Schammar! Du reitest ja mit, und da werden wir auf alle Fälle siegen!“
„Nicht so laut, mein Halef, sonst wirst du ausgelacht!“
„Warum? Von wem?“
„Weil ich soeben vom Pferd gefallen bin.“
„Du? Kara Ben Nemsi Effendi, der jedes Pferd hinwirft, aber es nicht ihn?!“
„Ja, ich!“
Nun setzte ich mich nieder und erzählte. Ich war bei guter Stimmung und so gelang mir mein Bericht derart, daß der brave Hadschi sich in ein Lachen verwickelte, aus welchem er gar nicht wieder herauskommen konnte. Sich vorzustellen, daß sein Sihdi vom Pferd ‚gerutscht‘ sei, war das allerlustigste, was er sich nur denken konnte.
„Wieder eine Arznei!“ sagte er, als er sich endlich beruhigt hatte. „Das kuriert! Alle Tage zweimal so lachen, vormittags einmal und nachmittags einmal, da werde ich in kürzester Zeit gesund und mache das Rennen auch noch mit! Denn, weißt du, Sihdi, der Frohsinn ist der allerbeste Arzt. Über ihn kommt kein Hekim und Hekimbaschi (Arzt und Oberarzt). Darauf kannst du dich verlassen!“
Nach dem Mittagsschläfchen, welches ich mir gönnte, kam ein Kalhuri-Reiter, welcher mir eine Botschaft von dem Ustad brachte. Es war eine gute. Der Schah befand sich zur Zeit nicht in Isfahan, sondern auf seinem uns viel näher liegenden Schloß Mihribani, und zwar mit fast seinem ganzen Hofstaat, ein Umstand, welcher die Abwesenheit des Ustad ganz bedeutend abkürzen konnte. Der Bote suchte dann seinen Gebieter, den Scheik der Kalhuran auf, dem er eine wichtige Mitteilung zu machen hatte. Wie ich dann erfuhr, betraf sie die Bruderhilfe von Seiten sämtlicher Kalhuran, falls die Dschamikun von irgend einer andern Seite angegriffen werden sollten. Der Ustad schien also unterwegs Beobachtungen gemacht oder Dinge erfahren zu haben, welche sich hierauf bezogen.
Später saß ich, in einem seiner Werke lesend, auf meinem platten Dach, da sah ich Schakara. Sie war drüben in den Ruinen, auf dem wüsten Vorhof der zweistöckigen Etage, über deren schmaler Tür sich die zwei zerbrochenen Tafeln befanden. Da ich grad am Schluß eines Kapitels angekommen war, legte ich das Buch weg um sie zu überraschen. Sie hatte ein Gefäß in der Hand und schien Brom- oder Himbeeren zu pflücken, die es dort in Masse gab. Daß dieser Vorhof voll dorniger Sträucher und Stachelranken war, habe ich bereits gesagt.
Ich stieg also meine Stufen zum Glockenwege hinüber und ging von hier aus auf dem schmalen Ruinenfeld nach dem Turm, in welchem wir den Aschyk festgenommen hatten. Hier war eine Treppe gewesen, welche in den Vorhof, wohin ich wollte, hinuntergeführt hatte, jetzt war sie kaum noch zu erkennen, verwittert, zerbröckelt und mit allerlei Geröll ausgefüllt, aber für bedächtige Füße doch noch gangbar. Ich glitt mehr, als ich stieg diese Steilung hinab und wand mich zwischen den Beerenranken hindurch, um zu Schakara zu kommen. Da sah sie mich. Sie deutete nach der entgegengesetzten Seite und sagte:
„Wärest du doch von daher gekommen; da ist es viel bequemer. Da findet man sich sogar des Nachts zurecht!“
Ich sah freilich, daß
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