23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Mund, auf die Stirn, auf die Wangen, wohin er nur gleich kam! Ich war damals in den Vereinigten Staaten zuweilen etwas streng gegen ihn gewesen; das schien er aber vollständig vergessen zu haben. Er strahlte förmlich vor Freude; die meinige war ebenso herzlich, aber stiller, und doch dauerte es längere Zeit, bis alles schnell fragende Hin und Her vorbei war und wir uns niedersetzten. Der Peder war so vernünftig zwei Hukah's (Persische Tabakspfeifen) kommen zu lassen. Das Rauchen derselben und das stete Bemühen, sie nicht ausgehen zu lassen, zwang uns zum ruhigeren Gespräch. Da wir uns jetzt nicht im ‚wilden Westen‘ sondern im innersten Orient befanden, nannten wir uns nach der Sitte dieser Gegend sofort du. Sonderbarer Weise schien er um keinen Tag gealtert zu sein, und von mir behauptete er, daß ich jetzt jünger aussehe als damals. Der persischen Anstandslehre zu gehorchen, hielt ich ihm gegenüber nicht für nötig. Man hat geduldig zu warten, bis dem andern die ersehnte Mitteilung beliebt. Das fiel mir aber gar nicht ein. Ich fragte ihn sehr einfach, woher er wisse, daß ich mich hier bei den Dschamikun befinde. Da sah er mich kopfschüttelnd an und fragte:
„Hast du denn nicht gewußt, daß ich ein Bekannter des Ustad bin?“
„Doch!“
„Und da hast du dir nicht gedacht, daß es sein erstes war, mich zu benachrichtigen, als du hier angekommen warst? Ich hatte erzählt, was ich dir zu verdanken habe, und wie sehr ich wünsche, dich einmal wiederzusehen! Er hat mich wiederholt über dein Befinden unterrichtet, dir aber nichts davon sagen dürfen, weil ich dich hier überraschen wollte. Nun bin ich endlich da! Und habe dich zu grüßen! Von wem?“
„Nun?“ fragte ich.
„Vom Schah-in-Schah.“
„Von – – – dem?!“ rief ich erstaunt aus.
„Da gibt es doch nichts zu verwundern! Es ist vielmehr sehr einfach! Ich erzählte ihm von dir. Und nicht nur einmal, sondern öfters. Du hieltest mich da drüben in Amerika für einen Unwissenden, einen unvorsichtigen Träumer. Aber – – –“, fügte er mit seinem Lächeln hinzu – – – „diese Träumerei war Tebil, war Haßlama (Inkognito, Verstellung), obgleich ich zugebe, daß ich die Verhältnisse allerdings nicht kannte, sondern sie erst studieren wollte und mir dabei zuviel zugetraut hatte. Meine Aufgabe war – – – doch davon vielleicht später! Kurz, der Schah lernte dich aus meinen Erzählungen kennen, und nicht bloß kennen, sondern mehr. Er erfuhr alles, was ich von dir wußte. Und kürzlich stellte sich auch noch ein anderer ein, der ihm noch mehr als ich von dir erzählen konnte. Das war ein Engländer, welcher David Lindsay heißt und – – –“
„Lindsay ist in Isfahan?“ unterbrach ich ihn schnell.
„Nicht mehr, sondern schon wieder fort.“
„Wohin?“
„Zunächst nach Jesd hinüber, so viel ich weiß. Dann will er hierher, um mit dir weiter zu reisen. Ich glaube aber nicht, daß er dazu kommen wird. Ein Verwandter, der bei ihm ist, nämlich ein General, aber kein Original, hat ihn so in Beschlag genommen, daß du wohl kaum hoffen darfst, deinen sonderbaren Freund jetzt wiederzusehen. Er wurde mir vorgestellt und erzählte mir von dir, aber so viel und so interessant, daß ich ihn bat, mich zu besuchen. Ich machte den Schah auf ihn aufmerksam. Die Folge war ein sehr unterhaltender Abend zu dreien. Der Gegenstand des Gesprächs waren seine Reisen mit dir und die Absichten, welche du mit diesen Reisen verbindest. Du wirst wissen, daß der Schah Bücher schreibt. Auch ich bin Schriftsteller. Man nennt mich sogar Dichter. Da ist es begreiflich, daß er sich sehr lebhaft für dich interessierte und sich freute, dich jetzt hier in seinem Land zu wissen. Als er erfuhr, daß ich dich besuchen werde, gab er mir seine Grüße mit und außerdem noch zweierlei. Über das eine wirst du dich freuen, denn es ist ein Zeichen seiner Huld. Das andere aber ist etwas so Eigentümliches, daß es dich wahrscheinlich befremden wird. Ich bin nicht ermüdet, bedarf also nicht der Erholung von dem heutigen Ritt und halte es darum für das Beste, mich dieser beiden Aufträge sofort zu entledigen. Hast du Zeit, Effendi?“
„Ja.“
„So komm mit mir jetzt dorthin, wo ich wohnen werde!“
Wir gingen nach dem Turm, zwei steinerne Stiegen hinauf. Die Reitknechte hatten das Gepäck bereits heraufgebracht. Es war niemand da als Schakara, welche ordnete. Sie wollte sich sofort entfernen, ich bat sie aber, zu bleiben.
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