23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Während er eines der Pakete öffnete, trat ich an das Fenster. Es gab hier eine fast ebenso schöne Aussicht wie drüben bei mir.
Nun war das Paket aufgemacht, und er begann, auszulegen. Ich sah eine lange, weite Sirdschameh (Persische Hose) von kostbarer, blauer Seide, ein weißseidenes Pirahen (Hemd), ein Alkalok (Weste) von feinster, dunkelblauer Baumwolle, mit engliegenden, silbernen Knebeldressen, eine ebenso farbige Käba (Leibrock) aus dünner, aber unverwüstlicher Kaschamira, einen wenigstens sechs Meter langen Kemär (Shawl), fast spinnwebfein, als Gürtel um den Leib zu winden, eine Dschubbeh (Überrock, auch zum Reiten bequem) mit köstlichem Pelzwerk verbrämt, eine hohe, schwarze Lammfellmütze von jener Art, die nur ein Kaiser verschenken kann, ein Paar Pantoffel, ein Paar Schuhe und ein Paar Reitstiefel von weichstem Gazellenleder.
Schon die Bibel spricht von ‚Feierkleidern‘, welche die Könige verschenkten. Es ist das eine orientalische Sitte, die man in einigen Ländern bis heute beibehalten hat. Besonders liebte es der Schah, in dieser Weise seine Gunst zu zeigen.
„Schau her!“ forderte mich Dschafar auf. „Dieses Ehrenkleid habe ich dir vom Beherrscher zu überbringen. Es wurde von ihm eigenhändig ausgewählt, nachdem ich ihm deine Gestalt beschrieben hatte. Aus den Stoffen magst du ersehen, ob diese Ehrung eine gewöhnliche ist oder nicht. Du bist gewohnt, tiefer zu blicken. Ich weiß, daß dieser Anzug für dich mehr bedeutet, als er für einen andern sein würde. Allah gibt seinen Geistern verschiedene Gewänder, scheinbar schöne und scheinbar häßliche. Man nennt sie alle ‚Leib‘. Vor ihm ist nur das Schlechte häßlich und nur das Gute schön. Nur auf den Menschen kommt es an, ob er die Kleidung würdigt oder nicht!“
So etwas hatte ich ja ganz unmöglich erwarten können! Meine Freude wurde verdoppelt, als Dschafar ein zweites Paket öffnete, welches einen ähnlichen Anzug für meinen Hadschi Halef enthielt. Ich sah den braven Freund schon jetzt im Geist in Wonne schwimmen! Das war ja noch nie, noch nie passiert, daß ein Haddedihn vom Schah-in-Schah geehrt worden war, und noch dazu in dieser Weise!
Es ist nicht meine Art, den Dank, den ich gern still empfinde, in viele laute, wohlklingende Worte zu kleiden. Ich verstand die beiden Geber des Geschenkes, und Dschafar verstand auch mich, obwohl ich nur wenig sagte.
„Und nun das zweite, das sonderbare!“ begann er wieder. „Ich lenkte meinen Ritt hierher zunächst nach dem Schloß Mihribani, wo sich der Herrscher jetzt befindet. Eine Tagesreise, nachdem ich es verlassen hatte, traf ich mit dem Ustad zusammen, der zu ihm wollte. Er bat mich, zu warten und dann mit ihm zu reiten, wenn er zurückkehren werde; ich ging aber nicht hierauf ein. Bei dieser Gelegenheit erzählte er mir vieles, wenn auch nicht alles, was hier geschehen ist. Ich erfuhr auch, daß du von Syrr gehört hast, dem angeblichen Geschenk des Schah-in-Schah, dem rätselhaften Pferd. Ich bitte dich, mir mitzuteilen, was du jetzt von ihm weißt!“
Ich sagte ihm, was ich über Syrr erfahren hatte; es war nicht viel und klang ziemlich dunkel.
„Man hat dir Wahres und Falsches berichtet“, sagte er dann. „Es war ein köstlicher Gedanke vom Beherrscher, sein bestes, grad sein allerbestes Pferd ganz im Verborgenen und ohne jeden Zeugen so zu schulen, wie es mit Syrr geschehen ist. Es trägt nur ihn allein. Zu dem alten Kunststück mit dem Abwerfen anderer ist es zu gut, zu edel. Aber es gehorcht eben nur dem Schah-in-Schah. Setzt sich ein anderer auf, so bleibt es eben stehen. Am Zügel führen läßt es sich, reiten aber nicht. Damit es nicht durch seine vielen Stallbediensteten und die Mucken anderer Pferde verdorben werde, hat er es zu mir getan, wo es nicht belästigt wird. Mein kleiner aber schöner Stall steht fast ganz leer, und weil ich nicht das bin, was man einen ‚Reiter‘ zu nennen pflegt, ist Syrr nicht der Gefahr ausgesetzt, daß ich ihn behellige. Ich habe ihn also nicht geschenkt bekommen; dieses Gerücht ist falsch. Wenn der Herrscher ihn braucht, kommt er zu mir und stellt ihn dann auch selbst wieder ein. Aber er ist keineswegs dagegen, sondern es macht ihm vielmehr Spaß, wenn angebliche Reitvirtuosen mich bitten, beweisen zu dürfen, daß Syrr ihnen gehorchen müsse, er möge wollen oder nicht. Es ist noch keiner dagewesen, der dies fertiggebracht hat, sondern es hat ein jeder mit Beschämung abziehen müssen, weil er das Geheimnis
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