23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
bereit hält gegen unsre Feinde.“
„Sie hält Hilfe bereit?“ fragte ich schnell. „Das wäre ja köstlich für uns! Sie ist also überzeugt gewesen, daß es zum Kampf kommt?“
„Ja. Und sie hat sich vorbereitet. Ihr sollt euch auf den Schah-in-Schah verlassen, ja. Er hat euch lieb und ist der Herrscher dieses Reiches. Aber die, welche sich seine ‚Hohen‘ nennen, verwandeln seine Liebe unterwegs in Haß und spiegeln aller Welt die große Lüge vor, er habe ihnen die Gewalt gegeben, die doch nur er allein besitzen kann. Der Ungehorsam schließt sich ihnen an und macht sie scheinbar stark, dem Herrn zu widerstehen. Wer still des Herrschers gute Wege wandelt, wird angefeindet, möglichst unterdrückt. Wer aber sich vor jenen ‚Großen‘ beugt, aus Dummheit, oder auch des Vorteils wegen, den unterstützen sie auf jede Art und Weise. Der Schah ist gütig aber auch gerecht. Er straft nicht gleich. Doch kommt dann seine Zeit, so fällt das Wort, das wie ein Hammer schmettert. Der kluge Untertan greift ihm nicht vor. Die Trägheit nur braucht immerwährend Hilfe. Für jeden aber, der Charakter hat, ist es wohl Mannesseligkeit, zu wissen, daß er sich füglich selber helfen könne. Effendi, komm; Charakter ist vorhanden! Wir greifen gern mit eigenen Händen zu. Und wenn der Schah das sieht, wird er sich freuen. Denn darin grad, daß wir es selbst vollbringen, liegt seine größte Macht: direkte Volkesliebe!“
Sie hatte sehr ernst gesprochen. Nun nahm sie das Gefäß auf und fügte mit herzlichem Lächeln hinzu:
„Diese Beeren pflückte ich für dich und den kranken Hadschi. Natursäfte! Besser als alles, was die Kochkunst unverständig mischt!“
„Gib sie ihm alle, Schakara! Ich habe Charakter und pflücke mir jetzt selber!“
Da verwandelte sich ihr Lächeln in jenes kurze, wohlklingende Lachen, welches ich so gern von ihr hörte.
„So gehe ich voran“, sagte sie. „Hanneh weiß, daß ich komme.“
Ich blieb noch eine ganze Weile, um mir die großen, weißen Himbeeren schmecken zu lassen. Da hörte ich meinen Namen rufen. Als ich mich umdrehte, sah ich Kara Ben Halef, welcher an der schon einmal erwähnten Mauerstelle herabgeklettert und dann auf mich zugeeilt kam.
„Sihdi, ich bringe dir Besuch, sehr hohen Besuch“, sagte er.
„Wen?“
„Das darf ich dir nicht sagen.“
„Woher?“
„Auch das soll ich verschweigen. Du sollst selbst kommen und sehen.“
„Etwas Gutes?“
„Sehr, sehr!“
Da ich jetzt noch nicht klettern wollte, gingen wir zum Glockenweg hinauf. Unterwegs erzählte mir der junge Haddedihn:
„Ich machte meinen Übungsritt, dieses Mal nach dem Hasenpaß. Da kam mir ein Reitertrupp entgegen, bei dem sich einer der Dschamikun befand, die mit dem Ustad fortgeritten sind. Der Anführer war ein sehr vornehmer Perser. Er wußte, daß der Ustad verreist ist, und fragte nach dir; er habe dich zu besuchen. Ich kehrte selbstverständlich mit ihnen um und bin soeben angekommen. Er hat mit Schakara gesprochen und auch mit dem Peder. Beide beeilten sich sofort, die obere Etage des Wartturmes aufzuschließen, wo sich einige Stuben für besondere Gäste befinden. Da soll er wohnen. Jetzt ist er in der Halle.“
„Wieviel Dienerschaft?“
„Nur drei Stallburschen für die Pferde.“
„So ein vornehmer Herr? Und in dieser unsicheren Gegend!“
„Für seine Sicherheit hatte er gesorgt. Es hatte ihn eine Schar von Kalhuran bis an den Paß begleitet und war dort von ihm entlassen worden. Es sind im ganzen acht Pferde, vier zum Reiten, drei für das Gepäck und ein lediges, welches wertvoll zu sein scheint, denn es ist ganz und gar in einen Anzug geschnallt, der nur die Hufe, die Nüstern und die Augen sehen läßt. Sogar der Schweif ist sorgsam eingewickelt, in einen leichten, dünnen Schleierstoff, wie vornehme Damen ihn vor dem Gesicht tragen. Ist das nicht sonderbar?“
„Hiernach scheint das Pferd allerdings von größtem Wert zu sein. Wir werden ja sehen!“
Als wir in den Hof kamen, befanden sich die Pferde schon nicht mehr da. Sie waren einstweilen in das Gewölbe gebracht worden, in dem sich die gefangenen Soldaten befunden hatten. Ich ging in die Halle. Da saß der Fremde mit dem Peder. Er trug einen persischen Reiseanzug. Als er mich kommen sah, sprang er auf. Er erkannte mich und ich ihn.
„Dschafar!“ rief ich aus.
„Mein Retter!“ klang es aus seinem Mund.
Dabei eilte er auf mich zu, schlang die Arme um mich und küßte mich fünf, sechs, acht mal, auf den
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