23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
zwischen dem Schah und diesem Pferd nicht entdecken konnte. Du schaust mich an, Effendi. Du lächelst. Glaubst du etwa, daß du es entdecken würdest?“
„Es käme auf eine Probe an“, antwortete ich.
Da fiel er rasch ein:
„Die sollst du machen!“
„Wann?“
„Wann es dir beliebt!“
Da sah ich ihn freilich noch ganz anders an als vorher.
„Dschafar!“ rief ich aus. „Ich hörte, du hast ein vollständig verhülltes Pferd mitgebracht. Soll ich etwa gar vermuten, daß – – –“
Ich empfand es als Wagnis, den begonnenen Satz auszusprechen. Er aber lachte fröhlich auf und tat es an meiner Stelle:
„Daß dieses Pferd der Syrr des Herrschers ist? Ja, er ist es. Ich habe ihn mitgebracht.“
Da sagte ich kein Wort. Ich war fast erschrocken. Dann kam mir die Sprache wieder:
„Welche Kühnheit von dir! Was wird der Schah-in-Schah tun, wenn er es erfährt! Er stellte den Syrr bei dir ein, damit er unbelästigt bleibe, und du schleppst ihn so viele Tagereisen weit hierher zu uns, allen, allen den Gefahren ausgesetzt, vor denen dieses kostbare Pferd grad durch dich bewahrt werden sollte!“
Nun lachte er noch herzlicher als vorher und antwortete:
„Eine Strafrede statt des Lobes! Du bist ja förmlich zornig Effendi! Aber ich nehme das als gutes Zeichen und will dich beruhigen. Wisse, daß ich nichts, gar nichts gewagt habe. Wir wurden, nämlich Syrr und ich, von einer Abteilung der Leibgarde bis zu den Kalhuran und dann von diesen Euren Freunden bis fast ganz hierher gebracht. Es konnte uns also unterwegs nichts geschehen. Und grad um das Pferd nicht anzustrengen, habe ich nicht auf den Ustad gewartet, sondern bin langsam vorausgeritten. Und wenn ich sage Leibgarde, so soll das heißen, daß ich es nicht ohne die besondere Erlaubnis des Beherrschers tat. Ja, er selbst ist es, der den Gedanken angeregt hat, Syrr mit nach hier zu nehmen!“
„So bin ich starr!“
„Starr? Ich werde dich sofort wieder lebendig machen, indem ich dir sage, daß ich den Syrr für niemand bringe, als für dich allein!“
„Für mich? Sei ernst!“
„Ja, ja; für dich! Und das kam so: Daß du ein guter Reiter seist, das hatte ich erzählt, doch ist das nicht der Grund. Die andern alle, welche nichts erreichten, hatten ja geglaubt, nicht nur gute, sondern sogar virtuose Reiter zu sein. Aber ich hatte auch von deiner Findigkeit gesprochen, von deiner Aufmerksamkeit für alles Tiefere und von deiner Liebe zu den Tieren. Lindsay erzählte so viel von dir und deinem Rih, dem herrlichsten Pferd der Haddedihn. Der Schah erfuhr, wie du dich zu den Pferden und überhaupt zur Kreatur verhältst, und als ihm dein Sprung ober die Verräterspalte und gar das gräßliche Wagestück berichtet wurde, daß du, vorn und links den Abgrund, rechts die Felswand, hinter dir die Feinde und unter dir den kaum vier Fuß breiten Stein, durch einige liebe Worte dein zitterndes Pferd bewegtest, sich vorn zu erheben, den halben Körper über der Tiefe, und langsam umzuwenden – – – da rief er aus, daß du es vielleicht sein könntest, dem Syrr außer ihm gehorchen würde, weil ein freundliches Wort von dir genügt habe, die Todesangst des Pferdes in ruhiges Vertrauen zu verwandeln. Und als er hörte, daß ich dich besuchen werde, ging er mit sich zu Rate, ob er mir den Syrr anvertrauen solle oder nicht. Ich selbst riet ihm ab, weil ich nicht glaubte, eine solche Verantwortlichkeit auf mich nehmen zu können. Aber grad mein Widerstand schien ihm die Gewähr zu bieten, daß das Pferd nicht nur daheim, sondern auch während dieser Reise in guten Händen sei, und so befahl er mir, es mitzunehmen. Ich sage, er befahl; so durfte ich mich nicht länger weigern.“
„Dschafar – – – Mirza – – – vor allen Dingen, wie soll ich dich titulieren?“
„Du nennst mich einfach Dschafar; ich will es so. Die andern mögen immerhin Mirza sagen!“
„Ich danke dir! Nun wieder zu dem Pferd! Ich kann mir nicht denken, daß dir der Schah den köstlichen Syrr bloß aus reiner Neugierde anvertraut hat, nur um zu erfahren, ob es mir gehorchen werde. Es muß noch ein anderer, höherer oder tieferer Grund vorhanden sein.“
„Der ist auch da! Bezeichne ihn, wie du willst; ich nenne ihn psychologisch. Der Herrscher nannte es ein Problem, und zwar ein wichtiges Problem. Er ist nicht etwa neugierig sondern gespannt! Das ist doch wohl ein Unterschied! Er sagte sogar, Syrr sei zwar unbezahlbar, aber keineswegs ein zu hoher Preis für die
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