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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Delikatesse genießt. Ein anderes Pferd hätte schon längst nach dem zweiten Apfel gelangt. – – – Nun nimmt es ihn, fast leise, zögernd, als ob es dir einen Gefallen tun wolle, indem es nun auch den weniger guten frißt. Syrr ist edel, sehr edel. Ich habe ihn schon lieb!“
    Sie klopfte ihm mit der flachen Hand den Oberschenkel, so, wie man Pferde kräftig zu liebkosen pflegt. Da hob er den einen Vorderfuß und zuckte mit dem eingewickelten Schwanz. Dieses ‚Klatschen‘ war ihm also unangenehm. Für mich ein wichtiger Fingerzeig! Als wir an die Quelle kamen, ließen wir ihn trinken. Er versuchte erst den Geschmack des Wassers und trank dann mit sichtlichem Behagen, zuweilen eine Pause machend, wie ein Weinkenner, der eine seltene Nummer nicht gleich hinunterstürzt. Dann führte ich ihn hinten in das Gras und begann, die Hülle aufzuschnallen. Da sah ich denn, daß Syrr auch ein Rappe war, aber was für einer! Ein Rappe mit Doppelmähne! Ohne das geringste helle Fleckchen! Der volle, vornehm getragene Schwanz reichte fast bis zur Erde nieder. Die Behaarung war seidenweich und biberfein, fast schwärzer noch als schwarz, aber die Spitze jedes einzelnen Haares wie in eine Brillanttinktur, in lichten Fluß getaucht und darum leise, aber doch ganz deutlich schimmernd. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Schakara schlug verwundert die Hände zusammen und rief aus:
    „Ein Mischki en Nur (Glanzrappe)! Das Märchen hat also recht! Es gibt Rappen, welche dunkler sind als Kohle und doch wie Demant glänzen! Wenn die Alten am Lagerfeuer sitzen und von jenem Wunderpferd erzählen, welches des Nachts von Stern zu Stern galoppiert, um einen Geist zu suchen, der es reiten könne, so ist es stets ein Mischki en Nur. Der Glanz der Sterne wurde seinem Haar zu eigen; einen würdigen Reiter aber hat es bis heut noch nicht gefunden.“
    Diese Spitzenfärbung war umso erstaunlicher, als sie sich nicht nur bei den kurzen Härchen des Körpers, sondern auch bei den langen Haaren der Mähne und des Schwanzes zeigte. Wenn er den letzteren bewegte, so war dieses leise Flimmern, um mich so auszudrücken, eine wahre Augenfreude. Aber nun erst die Gestalt, der Körperbau des Hengstes! Ich habe Rih beschrieben und auch Assil Ben Rih, seinen Sohn, zu beschreiben versucht. Das war ein Fehler. So wenig wie man die Schönheit einer Blume, einer Frau, eines Kunstwerkes beschreiben kann, ebenso wenig läßt sich durch Worte eine Anschauung von der Schönheit eines Rassepferdes geben. Ich werde mich also hüten, meinen Fehler zu wiederholen, indem ich Syrr beschreibe. Zudem weiß ich sehr wohl, welche Vorurteile im Abendland gegen den echten Araber herrschen. Der Europäer bezeichnet den Beduinen als den größten Dieb und Lügner im Pferdehandel, verbreitet aber doch die ‚Lügen‘, welche man ihm aufgehängt hat, und glaubt sie auch selbst! Die Beduinen wissen sehr wohl, was es heißt, wenn fremde Völker den Europäern ihre Schätze zeigen und ihnen erklären, worin der Wert derselben besteht. Die Folgen solcher Aufrichtigkeiten liegen allüberall so zutage, daß sie gar nicht zu übersehen sind. Wenn der größte Reichtum des Arabers in seinen edlen Pferden liegt, so fällt es ihm gar nicht ein, jeden Franken über alles, was diese Pferde betrifft, bereitwilligst zu unterrichten. Die bösen Erfahrungen, welche andere gemacht haben, zwingen ihn zu Ausflüchten, Täuschungen und Unwahrheiten, durch welche er zwar seinen Ruf verschlechtert, aber fremde Gelüste von sich weist. Was man in Büchern über das arabische Pferd zu lesen bekommt, ist häufig ein Beweis für diese Täuschungen. Selbst berühmte Hippologen behaupten in ihren Schriften, daß der Araber selten Rappen züchte, weil er die schwarze Farbe für ordinär halte, daß eine volle Mähne und ein voller, langer Schweif für häßlich gelte, und was dergleichen Dinge weiter sind. Hiernach wäre Syrr als ein unschönes, gemeines Pferd zu bezeichnen. Wenn ich höflich sein und dies als Wahrheit gelten lassen will, so muß ich begeistert hinzufügen, daß der Bau seines Körpers noch viel, viel häßlicher und gemeiner war als seine Farbe!
    Ich trat ein Stück von ihm zurück, um diese herrlichen Formen zu betrachten, die jeden Kenner oder Pferdefreund entzücken mußten. Ich suchte nach Fehlern, scharf und unerbittlich, fand aber keinen, keinen einzigen, nicht den allergeringsten! Dieser Syrr war körperlich ideal. Ob auch in Beziehung auf seine innern Eigenschaften – fast

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