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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hätte ich Geist oder Seele gesagt; das ist mir aber für Tiere streng verboten worden – das hatte sich noch zu zeigen. Da sah Assil mich stehen. Er kam herbei, um mir zu zeigen, daß er auch noch vorhanden sei. Ich liebkoste ihn wie immer. Da ging er weiter, hin zu Syrr. Auch er machte niemals Gemeinschaft mit andern Pferden. Er schritt langsam, prüfend vorwärts. Er hob die sich erweiternden Nüstern, so daß die Linie von den Ganaschen zur Kinnkettengrube eine waagrechte wurde. Seine Ohren spielten. Der Schweif hob sich. So kam er näher, immer näher – – – zwei Vollbluthengste! Was wird wohl geschehen! Syrr stand still. Er bewegte keinen Muskel. Kein Haar zuckte. Aber seine innen rosagefärbten Nüstern öffneten sich mehr und mehr, und seine großen Augen schienen noch größer zu werden. Nun war Assil da. Er legte die Ohren grad nach vorn, sog den Atem des neuen Kameraden ein, wieherte kurz und wie vor Freude auf und – gab Syrr einen Kuß.
    Ja, Pferde küssen! Wer das nicht weiß, der hat sie noch nicht beobachtet!
    Eine solche Vertraulichkeit erschien dem Rappen des Schah-in-Schah wohl unerhört. Er hob schnell auch den Kopf, legte die Ohren ganz nach hinten und öffnete die Lippen so, daß das prächtige, elfenbeinerne Gebiß zu sehen war. Dann wieherte er ebenso, schloß die Lippen wieder und – – – küßte Assil Ben Rih auch.
    „Wie schön, wie gut, Effendi!“ sagte Schakara. „Ich befürchtete schon, es werde eine gewaltige Schlägerei beginnen. Sie haben sich aber erkannt. Edel zu edel, hoch zu hoch, echt zu echt, das gibt niemals Konflikt!“
    „Möchtest du mir einige weiche Lappen besorgen?“ bat ich sie. „Er ist unter der engen Hülle ganz verdunstet. Ich will ihn waschen.“
    „Auch Machassa und Purscha (Striegel und Bürste)?“ fragte sie.
    „Nein. Heut nicht. Es könnte das der neuen Bekanntschaft schaden.“
    Sie ging das Verlangte zu holen. Ich war nun mit Syrr allein und begann, mich bei ihm einzuschmeicheln. Fast hätte ich mit der bekannten Redensart gesagt – ihm seelisch näher zu treten. Ich strich ihm leise das Haar, nicht Mähne oder Schwanz, sondern nur das kurze, und zwar genau in der Richtung in der es lag. Wo es einen Bogen machte, folgte auch ich ihm mit der Hand. Wo sich bei Gliederbeugen zwei verschiedene Haarrichtungen begegneten, beachtete ich das wohl und folgte mit einer Hand der einen, mit der zweiten Hand der anderen. Wo ein Wirbel gebildet wurde, wirbelte ich auch. In dieser Weise ging ich über den ganzen Körper, von hinten nach vorn. Es fiel mir nicht ein, etwas zu tun, womit ich Syrr belästigt hätte, etwa wie die Hufe zeigen zu lassen oder das Gebiß zu untersuchen. Den Kopf behandelte ich mit besonderer Aufmerksamkeit. Es gab da am Oberauge einige herabragende Borstenhaare, welche den Blick unausgesetzt belästigen mußten. Ich schnitt sie mit meiner kleinen Taschenmesserschere sofort weg. Auch ein Pferd merkt so etwas sogleich und ist dankbar dafür! Nur kann es leider nicht sagen „Ich danke Ihnen ergebenst, Herr Rollfuhrmann oder Herr Droschkenkutscher!“ So gab es schließlich am ganzen Körper keine Stelle, die ich nicht berührt hatte, lieb, streichelnd und alle Derbheit oder Hast vermeidend. Wäre es kein Pferd sondern ein Mensch gewesen, so würde ich sagen, Syrr sollte bei sich denken: Der hat Verstand; der ist aufmerksam und gütig den muß man liebhaben!
    Dann legte ich ihm die Hände an die Backen, ließ ihm meinen Atem fühlen und sprach freundlich mit ihm. Zu verstehen brauchte er kein Wort. Er sollte nur den Ton meiner Stimme hören und meine Augen betrachten dürfen, denen es nicht einfiel, sich zu einem ‚Pferdebändigerblick‘ zu verschärfen. Er hatte sich zu alledem sehr ruhig wie abwartend verhalten – reserviert, sagt man bei Menschen. Da sah ich Schakara zurückkommen und trat einen Schritt von ihm zurück. Sofort tat er diesen Schritt auf mich zu, nahm meinen Arm zwischen die Zähne und hielt mich fest, doch ohne mir weh zu tun. Da berührte ich zum ersten Male seine Mähne. Ich strich liebkosend an ihr herab und sagte:
    „Ich gehe nicht fort; sei ruhig Syrr!“
    Aber was war denn das? Schon während des Berührens seines Körpers hatte ich ein eigentümliches Prickeln in den Händen gefühlt, ganz leise nesselartig wie ein feiner, wohltuender elektrischer oder galvanischer Reiz. Ich verspürte ihn jetzt noch. Er kam vom Pferd. War er nur einseitig oder gegenseitig? Bekam ihn Syrr etwa auch von mir?

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