23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
ich freue mich doch unendlich darüber und werde mich, so oft ich es trage, nach seinen ernstenFarben richten!“
Diese letzte Wendung kam mir nicht ganz unerwartet. Krankheiten machen eben ernst, und Genesungsfreude und Besserungsfreude sind zwei liebe Schwestern. Es war ihm anzusehen, daß dieses Geschenk ihn wieder einen bedeutenden Schritt vorwärts gebracht hatte. Hierauf ging ich zum Abendessen mit Dschafar, dem Peder und dem Chodj, den ich dazu geladen hatte. Dieser Mann war es wert, daß man ihn nicht bloß arbeiten sondern auch mit beraten ließ. Nach Tisch nahm ich Dschafar mit hinauf zu mir. Wir saßen im Freien und erzählten. Von dem Mordanschlag auf ihn sagte ich ihm noch nichts. Die Gefahr war jetzt noch nicht da, und ich wollte ihm den Aufenthalt bei uns nicht gleich am ersten Tag mit Sorgen vergällen. Daß er wenigstens bis zum Rennen bleiben werde, verstand sich ganz von selbst. Er hatte zwar behauptet, von der Reise nicht ermüdet zu sein; aber trotz der Lebendigkeit unserer Unterhaltung erklärte er gegen Mitternacht doch, nun schlafen gehen zu müssen. Ich begleitete ihn bis hinunter an seinen Wartturm und kehrte dann zu mir zurück, um mich auch niederzulegen. Der Mond schien hell, und ich sah von meiner hohen Plattform aus, daß die Pferde alle lagen, das eine etwas abseits von den anderen; das war Syrr.
Als ich mich niederlegte, fiel mir ein, daß heute vor einer Woche, am Freitag zum ersten Male vom ‚Feste der fünfzig Jahre‘ und von dem Rennen zu mir gesprochen worden war. Was hatte sich in dieser Woche alles ereignet, und wie unerwartet schnell war es während dieser Zeit mit meiner Genesung vorwärts gegangen! Wie vortrefflich war die Anstrengung des Sonntags und des hierauf folgenden Nachtgesprächs überstanden worden! Ich hatte dann allerdings volle vierundzwanzig Stunden fest geschlafen, aber wundersam war diese schnelle Erholung nach einer so langen Krankheit jedenfalls.
Als ich früh aufstand, schlief Dschafar noch. Ich besuchte zunächst die Pferde. Die drei anderen begrüßten mich von Weitem. Assil kam schnell heran zu mir, um sich an mir zu reiben. Syrr war zurückhaltender. Seine noch nassen Vorderbeine bewiesen mir, daß er trinken gewesen und dabei direkt in die Quelle gestiegen war. Ich holte ihm einige Äpfel, die er langsam und bedächtig verzehrte. Dann leckte er mir die Hand. War das, weil sie noch nach den Äpfeln rochen? Oder war es Dankbarkeit, vielleicht schon Liebe? Ich brachte ihm nun seine Morgengerste und suchte dann den Peder auf, um mit ihm über die Sicherheitsmaßregeln zu sprechen, welche wir in Beziehung auf Dschafar zu treffen hatten. Wir mußten umso besorgter sein, als er jetzt noch nichts erfahren sollte. Die Wächter des Duars hatten ihre Aufmerksamkeit von jetzt an zu verdoppeln, zumal die Zeit des Rennens immer näher rückte und der Fremdenzufluß nun bald beginnen würde. Dies brachte ihn auf die Wege, welche zum Duar führten, und auch auf den, auf welchem wir nach dem Sprung über den Abgrund nach dem hohen Haus gebracht worden waren.
„Bist du schon wieder dort gewesen, Effendi?“ fragte er.
„Nein“, antwortete ich. „Wie weit ist es bis hin?“
„Nur eine Viertelstunde.“
„Nur? Hast du Zeit?“
„Ja. Wir haben zwei Wege; einen vom Dorf aus, und einer führt von hier aus um den Wartturm herum. Beide treffen später zusammen. Hast du Lust, zu gehen?“
„Ja. Komm!“
Das Tal der Dschamikun stand nach drei Seiten hin mit der Außenwelt in Verbindung. Ostwärts ging es nach dem Hasen- und Kurierpaß. Nordwestlich nach dem Gebiet der Takikurden, zugleich aber auch zu den im Norden halbansässigen Dschamikun. Und südwärts nach dem Daraeh-y-Dschib, dem Tal des Sackes. Durch das letztere waren wir, von Nordwesten aber Hanneh und Kara gekommen. Der Weg nach dem Tal des Sackes führte zwischen dem Tempel- und dem Ruinenberg hindurch. Beide traten hier so eng zusammen, daß sie nur durch eine schmale Schlucht geschieden wurden. Unten lief der Duarpfad, etwas höher derjenige, auf dem wir uns befanden. Er führte durch einen steil ansteigenden Wald. Tief unten eilte rauschendes Wasser nach dem See. Es kam aus dem Felsenriß, über den wir mit unseren Pferden gesprungen waren. Nach einiger Zeit stieg der Duarweg zu uns heran, und dann hatten wir nur noch eine kurze Strecke bis zu der Stelle, wo wir unser Leben gewagt hatten, um den Massaban zu entkommen. Es war jetzt eine neue Brücke da. Als ich auf ihr stand, in die Tiefe
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