23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Und als ich jetzt mit der Hand an der Mähne niederfuhr, wurde er stärker, und ich hörte es in den Haaren knistern, freilich nicht etwa laut, sondern schwach, aber doch recht gut vernehmlich.
„Horch!“ bat ich Schakara, als sie uns erreicht hatte, und strich etwas kräftiger.
Sie lauschte einige Augenblicke. Dann frage sie:
„Fühlst du etwas, Effendi?“
„Ja. Es ist wie irgend eine Kraft, die meine Hand berührt und in den Nerven weitergeht.“
Da ließ sie die mitgebrachten Lappen fallen, legte die Hände zusammen und rief aus:
„Das Knistern, das Knistern! Weißt du noch, was ich dir von der ‚verlorengegangenen Poesie‘ erzählt habe? Von dem Roß, dessen Mähne Funken sprüht? Wie lichtgewordene Strophen um die Stirn des Reiters? Effendi, ich bitte dich, nimm deinen Fez vom Kopf! Berühre erst die Mähne und dann hierauf dein Haar! Ich muß wissen – – –“
Sie hielt inne.
„Was?“ fragte ich.
„Ob – ob – – – ob du dann etwas fühlst.“
Ich tat ihr den Gefallen, nahm den Fez ab, strich einige Male mit der Hand an der Mähne herunter und legte sie mir dann auf den Kopf. Die Wirkung war eine ganz eigenartige. Das Prickeln verschwand sofort aus meiner Hand und ging auf die Kopfhaut über, wobei es in den Haaren leise, leise knisterte. Indem ich Schakara dies mitteilte, stand ich vorn bei Syrr. Dieser öffnete die Nüstern, sog die Luft laut ein, kam mit dem Kopf zu mir herum und faßte mich am Haar, nicht mit den Zähnen, sondern ganz weich, nur mit den Lippen. Da ging über Schakaras Gesicht ein frohes, glückliches Lächeln. Sie hob die Lappen wieder auf und sagte:
„Nun komm nach dem Wasser, wenn du ihn waschen willst. Ich gehe; du aber reitest!“
Diese Aufforderung befremdete mich nicht im Geringsten. Es war auch mir ganz so, als ob sich das Pferd gegen mich nicht abweisend verhalten werde. Ich stieg also auf, vorsichtig schmerzhaften Druck vermeidend. Kaum oben, legte ich beide Fersen an, die rechte etwas weiter vor als die linke. Syrr drehte sich sofort links um und ließ sich von mir nach der Quelle reiten. Dort sprang ich wieder ab und belohnte ihn mit einem Kuß. Da warf er den Kopf hoch in die Höhe und wieherte so triumphierend, daß Schakara, laut lachend, sagte:
„Das ist Jubel! Er tut, als habe er dich besiegt anstatt du ihn! Also ein Doppelsieg mit gegenseitigem Wohlgefallen hinterher! Was wird Dschafar Mirza dazu sagen?!“
„Nichts, denn er erfährt noch nichts“, antwortete ich. „Ich bitte dich, Schakara, sei verschwiegen! Ehe ich etwas sage, muß ich Syrr vollständig kennengelernt haben, und das hat heimlich zu geschehen. Es ist vielleicht zu kühn, aber ich denke hierbei auch an das Rennen. Wenn Syrr das ist, was ich von ihm erwarte, so lache ich über jeden Gegner, den man ihm zu stellen wagt.“
Hierauf begann die Wäsche. Schakara hätte wohl gern mitgeholfen, doch gab ich es nicht zu. Der Glanzrappe mußte erfahren, daß ich nicht nur sein Herr sein wollte, sondern auch gern mit eigenen Händen für ihn sorgte. Dieses Waschen war kein rücksichtsloses Begießen, Reiben und Scheuern; es geschah genau so vorsichtig und schonend wie das vorhergehende Streicheln. Als Syrr abgetrocknet war, machte ich eine weitere Probe. Zu den Ausdrücken, welche er verstand, gehörte auch, wie der Stallknecht mir gesagt hatte, das Wörtchen ‚komm‘!
„Ta' al (Komm!)!“ sagte ich darum und ging vom Wasser fort.
Er kam zu meiner Freude sogleich hinter mir her. Ich führte ihn nach der Weide, doch nicht geraden Weges. Um ihn zu prüfen, wich ich einige Male scharf ab, nach rechts oder links. Er machte diese Schwenkungen mit und blieb eng hinter mir, bis ich endlich stehen blieb. Zum Lohn hierfür holte ich ihm dann noch einige Äpfel und gab ihm auch selbst seine Abendgerste, worauf ich ihn mit der Überzeugung verlassen konnte, daß wir gute Freunde geworden sind.
Als ich in den Hof trat, stand Hanneh oben auf der Halle und winkte mir, hinaufzukommen. Ich tat es gern. Halef lag nicht, sondern er saß, im Rücken gestützt von einigen Polstern. Das ‚Feierkleid‘ war vor ihm ausgebreitet. Auf seinem Gesicht glänzte die Freude und mit ihr neue Lebensfarbe.
„Sihdi, mir ist ein großes, großes Heil widerfahren“, sagte er. „Dschafar Mirza, der Abgesandte des Schah-in-Schah, war bei mir, um mir dieses Geschenk der Ehrung zu überbringen. Ich weiß gar wohl, ich verdanke es nicht mir, sondern nur dem Umstand, daß ich dein Begleiter bin. Aber
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