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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schaute, in welche sich von drüben her das Wasser stürzte, und die Breite des Risses mit den Augen maß, überkam mich nachträglich die Angst, von der ich damals keine Spur empfunden hatte. Wie war es doch nur möglich gewesen, sich ein solches Wagnis zuzutrauen!
    Der Peder mochte meine Gedanken erraten, denn er sagte:
    „Das hat Euch keiner vorgemacht und wird Euch wohl auch keiner nachmachen! Schau dir die Brücke an, Effendi! Bemerkst du etwas?“
    „Natürlich! Sie ist zum Aufziehen.“
    „Ja. Nach den Erfahrungen mit den Massaban konnten wir uns nicht zu einem neuen, festen Übergang entschließen, der im Kriegsfall immer zerstört werden muß. Der Ustad ließ von unserem Nälbänd (Hufschmied) Ketten machen und vom Najjar (Tischler) die starken Rollen dort an der Eiche. Jetzt genügt die Kraft eines einzelnen Mannes, die Brücke aufzuziehen. Das ist ein Wunder, welches ich nicht begreife, denn sie ist ja zehnmal schwerer als der Mann selbst.“
    „Es ist kein Wunder, sondern sehr einfach. Diese Rollen bilden ein Suhulet (Flaschenzug), durch welches die Kraft des Menschen derart vervielfältigt wird, daß ein Einzelner genügt, die Brücke zu heben. Der Ustad kennt dieses Naturgesetz sehr wohl.“
    „Und hältst du so eine Brücke für gut?“
    „Ja. Doch wie diese liegt, hat man dafür zu sorgen, daß man nicht einmal selbst auch abgesperrt wird!“
    Als wir zurückkehrten, wählten wir den Weg nach dem Duar. Dort angekommen, konnten wir Dschafar beobachten, welcher nun schon unten war und uns nicht sogleich bemerkte. Er hatte gehört, daß ich mit dem Peder fortgegangen sei, und war darum auch gegangen, um uns vielleicht zu treffen. Er hatte das Boot am Landeplatz entdeckt und sich den Chodj-y-Dschuna holen lassen. Nun segelten sie bei gutem Wind mit einem halben Dutzend Lastkamelen um die Wette, welche, hoch mit Heu beladen, für das Wettrennen eingeübt wurden. Wie man sich erinnern wird, hatte der Peder auf Halefs Frage, was für Pferde laufen würden, folgendermaßen geantwortet: „Es werden nicht bloß Pferde sein. Wir lassen alle Arten der Tiere laufen, die es bei uns gibt, Schafe, Ziegen, Esel, Maultiere, Lastkamele, Reitkamele, gewöhnliche Pferde, und zum Schluß wird es mehrere Rennen zwischen Tieren edelster Rasse geben.“ Der Wettkampf sollte also scherzhaft beginnen, um ernst und würdig zu enden. Als man diese Disposition traf, hatte man nicht geahnt, daß sich aus dem beabsichtigten Rennen unter Freunden ein erbitterter Wettkampf zwischen Freund und Feind entwickeln werde, war aber trotzdem bei der ursprünglichen Bestimmung geblieben, daß der Anfang heiter zu sein habe, möge er enden, wie er wolle. Daher jetzt die Übung mit den Lastkamelen.
    Es konnte hierbei nicht etwa von Tierquälerei die Rede sein. Die Dschimal (Kamele) waren zwar so hoch und so breit beladen, daß von ihnen nur die Beine zu sehen waren, aber man hatte das Heu so leicht und duftig gepackt, daß es für die starken Tiere nichts weniger als eine Last zu nennen war. Vorn gab es in dem Heuballen eine Öffnung aus welcher über dem sonderbaren Maul die Konvexbrillenaugen des Tieres den Weg überschauen konnten. Hoch oben war nur der Kopf des tief im Heu vergrabenen Führers zu sehen, der sein Kamel nur durch Zurufe zu leiten hatte. Es war also vorauszusehen gewesen, daß sich die Sache höchst drollig ausnehmen werde, und die jetzige, erste Probe zeigte, daß man sich hierin nicht getäuscht hatte. Wir sahen die langen Beine, die großen, plumpen Füße und sämtliche Heubündel in eiligster Bewegung als ob es beabsichtigt sei, binnen zwei Stunden dreimal rund um die Erde zu jagen. Da blieb plötzlich eines der Kamele mitten im Lauf stehen, um in der größten Gemütsruhe sich ein Maulvoll aus der eigenen Last zu raufen und gemächlich zu verzehren. Der Kopf hoch oben begann zu bitten, zu flehen, zu jammern, zu schimpfen, zu drohen. Da besann sich das Kamel auf seine Pflicht und warf die Beine wieder vorwärts, daß der Staub nur so flog bis es an ein anderes prallte, welches in derselben guten, aber für den Reiter höchst ärgerlichen Absicht stehengeblieben war. Weiter vorn sahen wir zwei Heuladungen im größten Eifer und eng neben einander herrennen, bis der Weg zwischen Berg und See zu eng wurde und sie beide miteinander steckenblieben. Der allerschnellste dieser Renner war den anderen weit vorausgekommen und schien nun der guten Überzeugung zu sein, seinen Zweck erreicht zu haben. Er hatte sich also

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