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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gemütlich auf die Mutter Erde niedergelassen und ließ alles, was aus dem Mund seines Besitzers kam, in größter Seelenruhe über sich ergehen, ohne weiter ein Glied zu rühren. Das gab selbstverständlich Veranlassung zur größten Heiterkeit. Die liebe Jugend machte natürlich mit, was aber keineswegs dazu beitrug die zwei Dutzend Kamelbeine von dem Wert der kostbaren Zeit zu überzeugen. Dschafar segelte mit dem Chodj-y-Dschuna nebenher, um das Schauspiel aus sicherer Entfernung zu genießen, bis sich alle Kamele niedergelegt hatten und keines weiter fortzubringen war. Da kam er nach dem Duar zurück und versicherte uns, noch nie im Leben so gelacht zu haben wie heut. Nachdem er diesen Ausgang des Kampfes gesehen habe, verspreche er sich von dem Rennen nun überhaupt sehr große Dinge und sei erfreut, grad am ‚Feste der fünfzig Jahre‘ zu den Dschamikun gekommen zu sein!
    Der Chodj-y-Dschuna teilte mir mit, daß man mich als Rekonvaleszenten bisher nicht habe belästigen wollen. Nun aber bitte er mit dem Peder um die Erlaubnis, mich über alles, was sich auf das Fest beziehen sollte, unterrichten und fragen zu dürfen. Wir gingen infolgedessen nach seiner Wohnung und hielten das ab, was man in Deutschland, wo es bekanntlich keine Fremdwörter gibt, als eine Komiteesitzung bezeichnen würde. Es gab keinen einzigen Punkt, dem ich nicht zustimmen konnte, was den braven Chodj-y-Dschuna so erfreute, daß er den Mut bekam, uns zum Essen einzuladen. Das war um die Mittagszeit, und so nahmen wir es an. Ich ging aber vorher hinauf, um Syrr zu füttern und beauftragte Kara, mir dann meinen Assil und das Pferd des Mirza herabzubringen, weil ich einen etwas weiteren Spazierritt versuchen wolle, an dem auch er teilnehmen möge.
    Wir dehnten diesen Spazierritt auf über zwei Stunden aus, ohne daß ich mich, als ich heimkehrte, von ihm ermüdet fühlte. Ich glaubte also, mir für heute Abend auch noch eine weitere Anstrengung zumuten zu können, und sagte Kara also, daß wir gegen Mitternacht den Aschyk aufsuchen würden; er solle sich also bereithalten und alles dazu Nötige besorgen.
    Bis zu dieser Zeit geschah nichts, was einer besonderen Erwähnung bedarf. Ich brachte die Zeit nach dem Abendessen absichtlich bei Dschafar zu, weil ich da gehen konnte, wenn es mir beliebt. Wäre aber er bei mir gewesen, so hätte ich warten müssen, bis er sich entfernte. Kara stand bereit. Der Weg durch das große Eingangstor wäre kürzer gewesen; aber ich hatte Gründe, den Umweg über die Ruinen zu wählen. Ich wollte ihn mir in allen seinen Einzelheiten so einprägen, daß ich ihn später des Nachts nicht nur gehen sondern auch sicher reiten konnte. Ich hatte nämlich die Absicht, Syrr heimlich einzuüben, und das war nur dann möglich, wenn alle Leute schliefen.
    Wir gingen also im Mondschein über das Gemäuer und dann den Steinbruchweg hinunter nach der Landestelle. Das Boot war da. Wir kamen in den Kanal und aus diesem in das vordere Bassin, ganz so wie die vorigen Male. Ich hatte erwartet, daß unser Gefangener vor Freude laut aufschreien werde. Es blieb aber still, obgleich wir so laut ruderten, daß die Schläge wie Meeresrauschen von den Säulen widerhallten.
    „Er ist tot!“ sagte Kara. „Herabgefallen und ertrunken!“
    „Möglich. Wir werden ja sehen.“
    Wir kamen schnell näher. Er mußte trotz der tiefen Finsternis nun auch unser Licht sehen. Und doch hörten wir nichts von ihm! Nun sahen wir die Säule und den Stein. War der Aschyk noch da? Ja. Er saß oben. Still. Hüben das Gerippe und drüben er. Wir hatten absichtlich nicht eine, sondern zwei Fackeln brennen. Es war also so hell, daß wir sein Gesicht, seine Züge deutlich erkennen konnten. Er lehnte mit dem Rücken an der Säule. Seine Augen waren geschlossen. Als das Boot stand und wir die Ruder einzogen, sagte er in mir ganz unbegreiflich ruhigem Tone:
    „Ihr kommt wieder. Ich wußte es! Ahnst du, was ich da tat? Nein! – – – Ich habe gebetet!“
    Wie kam es doch, daß dieses Wort, dieses letztere, mich innerlich so packte, als ob in mir etwas hierauf vorbereitet gewesen sei! War es infolge des Traums, an den ich sogleich dachte? Mußte sich hier, in dieser tiefen, dunklen Verlassenheit, denn alles, alles, selbst die ärgste Verkalkung und Verhärtung, schließlich doch und doch noch zum Gebet verwandeln? Nicht nur im Traum, sondern auch in der Wirklichkeit? Er wartete ein wenig, und als ich nichts antwortete, fuhr er fort:
    „Effendi, ich will

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