23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
wurde. Ich hatte volles Vertrauen zu dem Aschyk, zog aber dennoch das Messer, welches ich eingesteckt hatte, wieder heraus. Das wurde mir von der Vorsicht geboten, der man in jeder Lage und auf alle Fälle zu gehorchen hat.
Es war unheimlich, hier in diesem Dunkel. Fast tat die schlechte Luft der Lunge weh. So recht ein Ort, um Böses auszubrüten! Glücklicherweise hatten wir nicht lange zu warten, so kam der erste. Er machte draußen Licht und brachte es herein. Er war seiner Sache so sicher, daß er sich gar nicht die Mühe gab, den Raum erst zu untersuchen, sondern er schritt gleich auf die Mitte zu, tropfte seine Kerze dort fest an und setzte sich da nieder.
Dann kam der zweite, der dritte, der vierte. Sie alle machten es ebenso wie der erste. Keiner grüßte. Niemand sprach ein Wort. Nun gab es vier Kerzen, aber ihr Schein reichte nicht hin, von unserer Entfernung aus die Gesichter zu erkennen, welche aber unverhüllt waren. Da trat der fünfte ein. Das änderte die Szene. Sie standen alle auf, und einer fragte schnell:
„Ist der Emir vielleicht schon draußen?“
„Nein“, antwortete er. „Sein Pferd hängt noch nicht am gewohnten Baum. Aber der Spion steht da, der aufzupassen hat, ob wir so kommen und so gehen, wie uns vorgeschrieben ist. Das muß ein Ende nehmen!“
Diese Stimme kam mir bekannt vor. Er bückte sich nieder, um sein Licht auch zu befestigen. Dadurch kam sein Gesicht zur Beleuchtung, und ich erkannte – – – Ghulam el Multasim, den Bluträcher, den Henker der Schatten!
„Lassen wir nur erst den Putsch vorüber!“ sagte der vorige Sprecher. „Dann rechnen wir mit ihm ab!“
„Aber ob er gelingen wird, dieser Putsch!“ warf ein anderer ein.
„Unbedingt! Das weiß ich genau!“ versicherte Ghulam. „Heute bringt der Emir den Scheik ul Islam mit, um uns zu beweisen, daß die frommen Lichter mit den gottlosen Schatten Hand in Hand gehen werden, den Herrscher zu entthronen. Ich komme soeben fast direkt vom Schah. Er hat keine Ahnung von der ihm drohenden Gefahr. Auch sein Liebling Dschafar, dem er den Ehrentitel ‚Itemad‘ (Gehorsam) verliehen hat, ahnt nicht, daß schon in einigen Tagen die Gul-i-Schiraz auf seiner Brust zu blühen hat, und es – – –“
„Er soll sterben?“ wurde er unterbrochen. „Wie? Wann? Wo?“
„Das ist meine Sache. Wenn ich, ich es sage, so wißt ihr, daß es unbedingt geschehen wird. Ich fand den Brief mit dem Befehl in meiner Tasche, so geheimnisvoll, wie der Emir es immer liebt. Er fängt es darauf an, allgegenwärtig zu erscheinen. Aber wenn wir nur erst wissen, wer er eigentlich ist, so blüht ihm seine Rose auch! Es fällt uns gar nicht ein, die seit Jahrhunderten hier aufgestapelten Schätze mit ihm zu teilen! Nur erst den Putsch, damit wir die Dschamikun wieder von hier loswerden, und Ahriman Mirza auf den Thron! Bei so einem Herrscher sind wir vor jeder Bestrafung sicher! Die Verbündeten sind über das ganze Land verbreitet und zum Losschlagen bereit. Der Schah weg; Dschafar, sein Ratgeber, weg, und Ahriman, der selbst Halunke ist, auf dem Thron, so mag die Macht des Emir noch so groß sein, mit seinem Tod hört sie auf; wir teilen unter uns und sind mit diesen Reichtümern dann öffentlich, was wir bisher nur heimlich waren – – – die Herren des ganzen Landes! Doch jetzt still! Die vorgeschriebene Pause im Kommen wird gleich vorüber sein. Wir haben nicht miteinander gesprochen!“
Es vergingen hierauf vielleicht zehn Minuten. Da hörte man draußen wieder Schritte. Dieses Mal kam nicht ein einzelner, sondern es waren zwei, doch ohne Licht in ihren Händen. Der eine, welcher geführt worden zu sein schien, blieb vorn am Eingang stehen. Der andere kam näher, jedoch nicht ganz heran. Ich sah zu meiner Überraschung, daß sein Anzug genau ein solcher war, wie ich von dem Schah bekommen hatte. In der rechten Hand hielt er eine Reitpeitsche. Sein Gesicht steckte hinter einer schwarzen Larve, und an seiner Mütze funkelten trotz des wenigen Lichtes, wenn er sich bewegte, die Steine einer dort befestigten Agraffe. Die Anwesenden waren ehrfurchtsvoll aufgesprungen. Er forderte durch eine stolze, gebieterische Armbewegung Aufmerksamkeit und sprach:
„Schon wieder befinden wir uns fern von unserer sicheren Mäjmä-i-Yähud und kommen hier zusammen, von wo uns dieser Ustad mit seinen Dschamikun vertrieben hat. Nun aber ist der Tag der Rache nahe, der uns das fast Verlorene wieder gibt und diese Christenbande auseinander
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