23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
daß es nötig gewesen war, ihn durch irgend einen Kunstgriff dazu anzuspornen. Er durchmaß die Ebene zurück und wieder hin und wieder zurück in stets gleicher Rapidität, so daß ich besorgt um ihn wurde und ihm das Wörtchen ‚wal-kif!‘ (Halt an!) zu hören gab. Er gehorchte sofort. Zwar schoß er noch eine kurze Strecke weiter, überwand aber die Beharrung außerordentlich schnell und stand dann still.
Da sprang ich ab, nahm seinen Kopf in beide Anne und drückte ihn an mich. Ich streichelte ihn mit einer Wonne, die keineswegs die bekannte Wonne der Redensarten war. Sein Atem ging ganz ruhig. Nicht der geringste Anflug von Schweiß war zu spüren; kein Flöckchen Schaum war zu sehen. Die Flanken lagen still und nur das Herz schien in etwas schnellerer Bewegung zu sein als wie gewöhnlich. Aber in den Haaren der Mähne und des Schwanzes knisterte es mit doppelter Vernehmlichkeit, als ich über sie hinwegstrich.
„Bist ein Prachtkerl, Syrr, bist unvergleichlich!“ rief ich begeistert aus. „Dich hat uns nicht nur der Schah gesandt, sondern ein noch Höherer! Er wollte, daß wir durch dich gerettet würden!“
Da rieb er seinen schönen, feinen Kopf an meiner Schulter, kniff mir mit den Lippen einige Male in das Haar und leckte mir dann die Hand. Dann stieg ich wieder auf, um ihn nicht der scharfen Nachtluft ohne Bewegung auszusetzen. Ich saß still, ohne die auf dem Sattelknopf liegenden Zügel aufzunehmen und ohne seinen Leib unterhalb des Sinpusch (Sattelunterlage) zu berühren. Auch er stand unbeweglich. So warteten wir aufeinander, ich lächelnd, er aber, um zu gehorchen. Als aber von meiner Seite so gar nichts geschah, drehte er den Kopf abermals zu mir herum und ließ dasselbe Halbwiehern vernehmen, wie gleich nach unserer Ankunft hier, nur nicht so kurz, sondern länger und in mehreren Intervallen. Es klang fast so, als ob er mir eine kleine Rede halte: „Was soll denn nun werden? Ich habe meinen Willen gehabt. Du kennst mich jetzt. Nun bist du wieder der Herr. So rühre dich also!“
Hierauf streichelte ich ihm wieder den Hals, nahm die Zügel auf und legte die Schenkel an. Da warf er befriedigt den Kopf in die Höhe und ging vorwärts. Wir ritten vollends über die Ebene hinüber, den Berg hinab und auf demselben Weg heim, den wir gekommen waren. Assil stand auf, um uns zu begrüßen und legte sich dann wieder nieder. Nachdem ich abgezäumt und abgesattelt hatte, holte ich einige Äpfel und die Lappen, welche Schakara mir besorgt hatte. Syrr schwitzte nicht; er besaß keine Spur von übergewöhnlicher Wärme. Ich rieb ihn aber trotzdem sorgfältig ab, trug dann das Sattelzeug an Ort und Stelle und ging hinauf zu mir.
Von meinem platten Dach schaute ich noch einmal hinab. Syrr hatte sich auch niedergelegt, eng neben Assil. Sie hatten die Köpfe nebeneinander. Da hörte ich unter mir ein Geräusch, auf dem Balkon des Ustad. Er hatte dagesessen, stand auf und ging hinein. Das war die Liebe zu mir. Der Gute!
Als ich am anderen Tag erwachte, war es hell; aber ich sah die Sonne nicht, obgleich der Himmel keine Wolken hatte. Da stand ich schnell und ahnungsvoll auf. Dann auf die Plattform hinaustretend, sah ich sie zwar, aber es war, als ob sie schelmisch über mich lache. Da, wo sie stand, pflegte sie ungefähr um 4 Uhr nachmittags zu stehen!
„Bist du munter?“ klang die Stimme des Ustad vom Balkon herauf. „Ich höre, daß du nicht mehr schläfst.“
„Soeben aufgestanden! Vier Uhr nach dem Mittag!“ antwortete ich. „Ist das nicht eine Schande?“
„Nein, sondern eine Notwendigkeit! Folge des Ritts – hast dich mehr angestrengt, als du sollst. Das gleicht die Güte der Natur wieder aus. Wie ist der Ritt gelungen?“
„Zur größten Zufriedenheit! Ich erzähle es dir nachher. Aber meine armen, armen Pferde! Zweimal nicht gefüttert.“
„Sei unbesorgt! Als du nicht aufstandest, habe ich es an deiner Stelle getan. Wasser, Gerste, Äpfel. Sie sind zufriedengestellt, ließen mich aber bemerken, daß du ihnen lieber gewesen wärst als ich. Was tust du jetzt?“
„Ich gehe zu ihnen, bade dann und sehe hierauf, wo es etwas zu essen gibt.“
„Natürlich bei mir. Ich habe mit dem Mittagsbrot auf dich gewartet.“
„Wo ist Dschafar Mirza?“
„Unten im Duar. Man sieht ihn dort sehr gern. Sein freundliches, gütiges Wesen hat ihm die Herzen schnell gewonnen. So komm also dann zu mir; ich werde das Essen befehlen!“
Als ich nach der Weide kam, sprang mir nicht nur Assil, sondern
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