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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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drohendem Ton, indem er seine Pistole wieder hervorzog.
    „So spreche ich mit dir eher!“ antwortete der Scheik ul Islam in unerwarteter Ruhe.
    „Wo?“
    „Hier!“
    „Wann?“
    „Jetzt!“
    „Ah, ich verstehe! Auch du hast Waffen mit!“
    „Nein, keine einzige!“
    Er schlug seinen Mantel auseinander, um zu zeigen, daß er die Wahrheit sage.
    „Und willst dich aber wehren, wie ich aus deinen Worten vermute? Sind uns etwa die drei bewaffneten Taki heimlich gefolgt, welche du mitbrachtest, als du zum heutigen Stelldichein kamst? Mein ‚Freund, mein lieber, bewunderter Freund‘, diesen Schachzug muß ich betrachten! Wahrscheinlich stehen sie da draußen!“
    Er nahm eines der Lichter und ging mit demselben hinaus. Da gab es unter uns, grad in der Mitte, wo der Altar stand, ein Geräusch, wie wenn Steine aneinander gerieben werden, und hierauf ein leises Flüstern; dann war es wieder still. Und schon war der Emir wieder da. Er war nur vor dem Eingang stehen geblieben, um hinauszuleuchten. Er drehte sich wieder um, kam zurück und sagte:
    „Niemand draußen! Ich habe mich geirrt!“
    „Ja, du irrtest dich, wie immer!“ antwortete der Scheik. „Steck deine Waffe ein! Sie ist überflüssig!“
    „Was für ein Ton! Das klingt ja wie ein Befehl.“
    „Es ist auch einer. Also weg mit ihr!“
    „Mensch, bist du wahnsinnig?! Der Fürst der Schatten soll sich von dir befehlen lassen, was –“
    Er kam nicht weiter. Drei Männer huschten aus dem Schatten der Säule auf ihn zu, entrissen ihm die Pistole und schlangen ihre Arme so fest um ihn, daß er sich nicht bewegen konnte. Er stieß einen Schrei aus, ob vor Schreck oder Wut, das konnte man nicht wissen. Da trat der Scheik ul Islam auf ihn zu, riß ihm die Larve herunter, sah ihm in das Gesicht und sagte:
    „Ahriman Mirza! Ich wußte es! Unser neuer Kaiser, der oberste aller Verbrecher!“
    Es war ein eigener, ganz eigener Augenblick, eigen in jeder Beziehung, auch psychologisch. Ahriman machte nämlich nicht den geringsten Versuch, sich der Umarmung zu entwinden. Ich konnte seine Züge nicht deutlich unterscheiden, aber es klang nach einem überlegenen Lächeln, als er in fast gleichgültigem Ton antwortete:
    „Ja, euer neuer Kaiser! Oder wollt ihr ihn nun nicht? Ihr könnt mich ja mit meiner eigenen Pistole hier erschießen!“
    „Daß ich ein Tor wäre!“ erwiderte der Scheik ul Islam. „Du warst bisher mein Schatten und wirst nun mein Geschöpf. Kein anderer würde sich so gut wie du für unsere Zwecke eignen. Wozu wir dich machen wollten, das wirst du nun erst recht!“
    „Es würde dir auch wohl sehr schlecht bekommen, wenn du mich hier ermorden ließest!“
    „Das weiß ich wohl! Du bist ja umsichtig und wirst auch für einen solchen Fall deine Vorkehrungen getroffen haben. Überleben würde ich dich nicht lange; davon bin ich überzeugt. Aber ich will leben, und darum sollst du es auch. Und ich will herrschen; darum gebe ich dir den Thron! Bist du einverstanden, Ahriman Mirza?“
    „Unter Bedingungen!“
    „Die ich kenne! Jetzt sitzt dir dieselbe Falschheit im Nacken, die du mir vorgeworfen hast. Dennoch frage ich nochmals: Bist du einverstanden?“
    „Ja.“
    „So gib mir Wort und Handschlag! Laßt ihn los!“
    Die drei Männer gaben den Emir frei. Der Scheik ul Islam hielt ihm die Hand hin; er schlug ein und sagte:
    „Ja, hier meine Hand! Aber ich bin ehrlich und prophezeie euch, daß ihr sie fühlen werdet!“
    „So will ich auch einmal ehrlich sein und dich warnen. Wir sind sanftmütig und von Herzen demütig, weil uns das zur Herrschaft führt. Aber hinter dieser Sanftmut steckt die Schonungslosigkeit und hinter dieser Demut der unerschütterliche Wille. Selbst der Kaiser hat sich vor uns zu beugen; wenn nicht, so muß er brechen! Fordere ja den Taki-Orden nicht heraus! Wenn er zürnt, kann er vielleicht noch verzeihen; wenn er aber wohlwollend lächelt, ist er erbarmungslos! Jetzt habe ich dir gezürnt. Laß mich nicht etwa lächeln!“

VIERTES KAPITEL
    Zusammenbruch
    Der Scheik ul Islam hatte seine letzten Worte so laut und mit solchem Nachdruck gesprochen, daß sie von der Decke dumpf grollend widerhallten. Seine Gestalt schien gewachsen zu sein. Er hielt den Kopf herausfordernd zurückgeworfen und strich sich mit beiden Händen den langen, dünnen Bart, als ob in diesen Haaren die Kraft gelegen habe, endlich einmal den Mut der Aufrichtigkeit zu zeigen. Seine Leute verhielten sich zuwartend. Der Emir – – – ja, was war

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