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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auch Syrr entgegen. Das war bei letzterem das erste Mal. Ich sah: nun war er mein!
    Der ungewöhnlich lange Schlaf belehrte mich, daß der nächtliche Ritt doch anstrengender für mich gewesen war, als ich gedacht hatte. Auf einem gewöhnlichen Pferd hätte ich so etwas doch noch nicht wagen können. Ich hatte ihn an diesem Abend wiederholen wollen, nach dem Gang in die Ruinen, beschloß aber aus Vorsicht, für heute zu pausieren. Meine Hauptaufgabe war, am Tag des Rennens zur Teilnahme fähig zu sein. Da war ein Überstürmen der Natur unbedingt zu vermeiden. Übrigens entwickelte ich beim Ustad einen solchen Appetit, daß er über mich, den sonst so genügsamen Esser, beinahe erstaunte und, sich darüber freuend, lächelnd sagte:
    „So ist es recht, mein lieber Freund. Nur tüchtig essen und tüchtig schlafen, sonst kannst du das nicht wieder werden, was du gewesen bist! Ich bin ja nun wieder da und nehme dir alles andere ab. Du wirst von mir über alles unterrichtet und hast sonst nur für dich und Syrr zu leben, damit ihr beide uns beim Rennen nicht etwa versagt!“
    „Gut! Ich trete dir also alles ab, bitte dich aber, mir dafür den Aschyk zu überlassen. Oder wolltest heute du zu ihm hinüber, um bei der Zusammenkunft der Pädärahn zu sein?“
    „Nein. Auf dieses Gebiet darf ich dir doch nicht folgen. Aber nimm dich in acht! Die Sache ist höchst gefährlich, denn diese Sillan sind zu allem fähig, und den Aschyk hast du doch vielleicht noch nicht ganz sicher!“
    „Ich habe ihm mein Vertrauen zugesagt und pflege Wort zu halten. Übrigens liebe ich es nicht, unvorsichtig zu sein. Ich werde meine beiden Revolver laden und nehme sie mit. Da bin ich für alle Fälle gerüstet.“
    „Also doch Waffen!“ lächelte er. „Darum gab ich sie dir zurück. Der Kampf mit geistigen Waffen ist der höhere, der edlere; aber es denken nicht alle Gegner ebenso hoch und edel. Gegen Niederträchtigkeiten hilft kein geharnischtes Sonett, kein Distochon und kein Alexandriner; da sind nur Drehpistolen gut, die mit Patronen auf ‚Patrone‘ schießen, denn was nicht kracht, das wirkt bei ihnen nicht!“
    Er nahm, als er mich dann zu mir hinaufbegleitete, meine Gewehre aus der Rumpelkammer und hing sie oben in dem Mittelzimmer auf. Wir luden die Revolver. Er legte mir sogar das lange Messer hin und zeigte sich erst dann befriedigt, als ich ihm versprach, auch dieses zu mir zu stecken.
    Es war des Abends nach zehn Uhr, als ich mich auf den Weg machte, einige Lichter und die dazugehörigen Zündhölzer in der Tasche. Der Mond leuchtete mir hinüber bis an die schmale Tür. Es versteht sich ganz von selbst, daß ich diesen Gang nicht offen, nicht unvorsichtig machte, denn ich hatte mit der Möglichkeit zu rechnen, daß sich irgend einer der Sillan schon hier befand. Ich ging also nicht, sondern ich schlich, hielt mich so viel wie möglich im Schatten und machte meine Schritte unhörbar. So war ich, als ich die Tür erreichte, überzeugt, von niemand bemerkt worden zu sein, hatte aber auch selbst niemand gesehen.
    Da ich das Innere schon kannte, hätte ich mich im Dunkel wohl zurecht gefunden; aber ich brannte dennoch eine der Kerzen an und nahm das Messer in die rechte Hand, um mich sofort wehren zu können, falls ein Gegner hier versteckt sei. So ging ich durch den vorderen Raum nach dem Allerheiligsten. Der Schein meines Lichts trug nicht weit; darum leuchtete ich zunächst nach der Mitte hin und dann auch noch entlang an allen Wänden. Dann blieb ich an dem Stein stehen, der einem Altar oder einer Bundeslade glich, und hielt die Kerze in die Höhe. Da erklang es von oben herab:
    „Du bist es, Effendi? Bei einem einzelnen Lichte sieht man nur schwer. Wenn sie dann kommen, wird es heller. Ich werde dir meine Stange hinunter lassen und oben festhalten. Sie ist extra für deine Bequemlichkeit zugeschnitten. Es sind starke Aststümpfe daran. Du brauchst also nicht zu klettern, sondern kannst steigen.“
    Er gab sie von oben herab. Ich stemmte sie fest ein. Die Stümpfe waren stark genug, mich zu halten. Er brannte oben sein Licht an. Ich löschte das meine aus, um beide Hände frei zu haben, und stieg hinauf zu ihm. Wir zogen die Naturleiter wieder empor, legten sie lang auf den Boden der Empore und dann sah ich mich auf dieser um. Es befand sich niemand da, außer uns. Nun löschten wir aus und setzten uns nieder, nicht neben sondern entfernt voneinander, damit der eine sehen könne, was dem anderen durch die Säule verdeckt

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