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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auf den nackten Füßen, genau zwischen den beiden Pantoffeln. Sie wankte hin und her, ungewiß, nach welcher Seite sie sich zu neigen habe. Die Arme streckten sich aus, um sich irgendwo festzuhalten. Da trat Pekala schnell wieder näher, und im nächsten Augenblicke hielten sich beide innig umschlungen, so fest und so lange, als ob sie nie, nie wieder von einander lassen dürften. Erst nach einer Weile klang es aus der Umarmung heraus:
    „Wie glücklich bin ich, daß du gekommen bist! Niemand soll dich mir wieder nehmen! Komm mit mir, du Liebling meiner Seele! Ich führe dich in meine Küche!“
    „Küche – Küche – Küche?!“ fragte es da schnell und dreimal hinter einander.
    „Ja. Beeile dich, sonst nimmt man dich mir weg!“
    „Mich? Dir? Niemals, niemals, niemals! Komm schnell; ich habe Hunger – – – Hunger – – – Hunger!“
    Die Umarmung ging nur halb auseinander. Die Hände hielten wie unzertrennlich zusammen. So schritten beide, eng aneinander geschmiegt, die eine Gestalt strahlend vor Wonne und Glück, die andere unter dem Keffije hustend und pustend, in seliger Eintracht über den Hof hinüber, um in der Sphäre zu verschwinden, der sie mit Leib und Seele angehörten. Ich aber lächelte ihnen mit innigster Befriedigung nach. Wer seinen Lebenszweck im niederen Stoff sucht, den läßt man gern in diesem Stoff verschwinden!
    Tifl stand da und schaute die Pantoffeln an. Sie lagen noch da, weil Kepek, der Dicke, vor Freude über das Wort ‚Küche‘ gleich barfuß fortgelaufen war. Das ‚Kind‘ machte ein höchst bedenkliches Gesicht und kratzte sich unter der Spinnenmütze. Er war mit irgend etwas nicht einverstanden, aber womit, das sagte er den Pantoffeln nicht. Er hob sie schließlich auf, betrachtete sie hin und her, warf sie wieder hin, hob sie abermals auf, schüttelte den Sand heraus und trug sie dann langsamen Schrittes nach der Küche, den einen in der rechten und den anderen in der linken Hand, beide aber nur mit den äußersten Fingerspitzen festhaltend.
    Da kam der Ustad durch den Garten.
    „Wie geht es dir?“ fragte er zu mir herauf.
    „Gut, sagte Schakara“, antwortete ich.
    „So darf ich ruhig nach der Halle gehen?“
    „Ganz unbesorgt. Widme dich deinen Pflichten und deinen Gästen. An mich soll man nicht denken, doch grüße den Mir Alai von mir!“
    Hierauf sah ich Schakara nach der Weide gehen. Sie fütterte den Syrr und dann auch den Assil Ben Rih, nachdem sie ihm das Reitzeug abgenommen hatte.
    Einige Zeit später erschienen vier fremde Reiter auf dem Hof, welche nach dem Ustad fragten. Sie waren Dinarun, wie ich nachher erfuhr. Ihr Scheik Ben Hidr befand sich selbst dabei. Sie waren unten im Duar von dem Peder als vermutliche Feinde sehr kurz behandelt und herauf an den Ustad gewiesen worden. Darum stiegen sie gar nicht ab, als dieser aus der Halle trat, und Ben Hidr rief ihm in beinahe verletzender Weise die Meldung zu, daß sie gekommen seien, ihre Teilnahme am Wettrennen anzusagen, weiter nichts! Jeder andere als der Ustad hätte sie nun in ganz derselben Weise sofort entlassen. Dieser aber war menschenfreundlich und klug genug, sich zu beherrschen. Er ging auf sie zu, reichte ihnen die Hand und lud sie ein, mit hinauf in seine Wohnung zu kommen. Das überraschte sie. Sie sahen einander fragend an und sprangen dann doch von ihren Pferden, um ihm zu folgen.
    Sie waren wohl zwei Stunden lang bei ihm in seinem Zimmer. Auf den Balkon führte er sie nicht, weil sie Syrr nicht sehen sollten. Ich hatte mich inzwischen wieder niedergelegt und hörte ihre Stimmen unter mir, konnte aber nicht verstehen, was gesprochen wurde. Als sie sich entfernt hatten, kam er herauf zu mir und sagte mir, wer diese Leute gewesen seien und was er mit ihnen verhandelt habe.
    „Das sind die sogenannten Klugen“, fügte er hinzu. „Sie lächeln nach beiden Seiten und sagen einstweilen zu allem ‚Ja‘, um abzuwarten, nach welcher Seite sich der Zeiger neigen werde. Dann aber sind sie die Schlimmsten, die Unerbittlichsten, die keine Schonung kennen. Ich bin überzeugt, daß sie unseren Feinden ihre Hilfe zugesagt haben, und daß sie aber dennoch heut zu uns kamen, um nachzuschauen, ob es nicht vielleicht doch geraten sei, sich den Weg zum Rückzuge offen zu halten. Ich habe sie bedient, wie man so unsichere Kantonisten zu bedienen hat: Kein Wort zu wenig, aber auch keins zu viel. Sie werden sich zum Rennen einstellen; ob sie sich aber dann auch beteiligen, steht noch in Frage.

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