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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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allein, weil ich es so wünschte. Der Mittag war nahe. Da kam Agha Sibil mit den Seinen. Sie wurden in die Halle gewiesen.
    Nur kurze Zeit später bemerkte ich, daß im Duar eine Bewegung entstand, die sich südwärts richtete. Sie galt den Bagdader Gästen, welche nun eingetroffen waren. Der kleine Zug kam den Berg herauf und dann durch das Tor geritten. Voran der Ustad und der Mirza, in ihrer Mitte mein alter Freund, der Mir Alai. Hinter ihnen einige Packpferde mit den Effekten des Offiziers. Hierauf ein Kamel mit der größten Sänfte, welche man hatte auftreiben können. Sie war rundum verhangen. Wer nicht wußte, wer drin saß, mußte also denken, daß es sich um etwas ‚ewig Weibliches‘ handle. Hintendrein die Dschamikun, welche den Besuch geholt hatten.
    Weil die Aufmerksamkeit des Agha Sibil nicht sofort auf die Ankömmlinge gelenkt werden sollte, war befohlen worden, ihr Eintreffen hier oben in aller Stille und möglichst unbeachtet geschehen zu lassen; aber die liebe Neugierde hatte trotzdem zwei Personen herbeigezogen, die sich den ersten Anblick der Erwarteten auf keinen Fall versagen wollten – – – Tifl und Pekala.
    Als die ersten drei Reiter zum Tor hineinkamen, flog der scharfe Blick des Ustad zu mir herauf. Er sah mich. Ich winkte ihm schnell, den Polen nicht auf mich aufmerksam zu machen. Er nickte mir zu, daß er mich verstanden habe. Dann legte er beide Schenkel an, stemmte die Hände in die Seiten und ließ Assil in der prächtigsten Natnata el mutarid (Sehr hoher, kurztrabender Querschritt echt arabischer Schule), die ich jemals gesehen habe, über den Hof hinüber und nach der Weide gehen, wo er abstieg. Er tat dies meinetwegen. Ich sollte sehen; daß Assil bei ihm gut aufgehoben sei. Wer eine so schwere Natnata in so meisterhafter Weise zu reiten vermag, dem kann man auch das kostbarste Pferd gern anvertrauen.
    Dschafar Mirza und der Mir Alai stiegen ab. Der erstere war unterrichtet. Er nahm den letzteren bei der Hand und führte ihn nach der Halle, in welcher es gleich darauf sehr laut zu werden begann. Auch die begleitenden Dschamikun waren abgestiegen, um sich zunächst mit den Packpferden zu beschäftigen. Da rief ihnen Pekala zu:
    „Und das Kamel laßt ihr stehen? Man sieht doch, daß eine vornehme Harema drin sitzt! Soll diese Madama etwa warten, bis es euch beliebt?“
    Die Angeredeten lachten! Darum wendete sie sich an Tifl und sagte:
    „Gib dem Kamel das Zeichen zum Niederknien; du verstehst das besser als ich! Die Madama darf von keiner Männerhand berührt werden. Ich werde ihr also selbst heraushelfen.“
    Tifl tat, wie ihm befohlen worden war; das Kamel gehorchte. Die hohe Sänfte bekam die drei bekannten, fürchterlichen Rucke; dann lag sie wieder still. In ihrem Inneren grunzte es. Pekala schob den Seitenvorhang auf, schaute hinein und meldete dann:
    „Sie schläft. Aber ich muß sie wecken, sie mag es mir übelnehmen oder nicht.“
    Sie griff hinein und zupfte am Gewand. Da bewegte es sich drin.
    „Ich bitte dich, steig aus; du bist am Ziel!“ rief sie hinein. „Du brauchst nur langsam herabzurutschen; ich helfe dir dabei!“
    Indem sie das sagte, trat sie einen Schritt zurück und breitete die Arme weit aus, um ihr Versprechen wahr zu machen. Da ächzte es in der Sänfte; da stöhnte es; da murmelte es. Dann kamen zwei große, rote Pantoffel zum Vorscheine. Ein weites, faltenreiches Gewand wurde Falte um Falte herausgestopft. Man erkannte trotz dieser Falten die Umrisse von zwei Knien. Hierauf wurde die Sache immer breiter und immer umfangreicher. Nun entwickelten sich mit Mühe und Not zwei Arme. Über ihnen erschien ein rotes, gelb befranstes Keffije (Arabisches Kopftuch), welches vorn nur um eine Lücke geöffnet war. In dieser Lücke gab es einen Mund und eine Nase; sonst sah man weiter nichts.
    Jetzt war die ‚Madama‘ auf dem ‚toten Punkt‘ angekommen. Sie lag im vollsten Gleichgewicht mit dem Rücken auf der unteren Sänftenkante. Der nächste Augenblick hatte darüber zu entscheiden, ob sie herunter rutschen oder rücklings wieder hineinfallen werde. Da bat die Festjungfrau in ermunterndem Ton:
    „Fasse Mut. Gib dir nur noch den einen kleinen Ruck, dann sinkst du grad in meine Arme. Ich fange dich auf!“
    Das half! Der ‚Ruck‘ stellte sich ein. Was von der Gestalt noch in der Sänfte steckte, das quoll vollends heraus. Die Sache kam in Schuß. Zuerst die Pantoffeln, doch allerdings separat. Dann tat es einen gewichtigen Plumps. Die Masse stand

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