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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Anscheine brüstet, auch aus Gottes Felsen zu bestehen!
    Das war die Mitte des Berges, von dessen Höhe, genau über der Spitze des Kirchturms, das Alabasterzelt herniederschaute. Auf den beiden Flanken lagen in fruchttragenden Gärten zwei villenähnliche, freundlich blickende Häuser. Unter dem einen war das Wort ‚Pfarrhaus‘, unter dem andern aber ‚Schulhaus‘ zu lesen.
    Die übrigen Blätter enthielten die architektonischen Risse und Zeichnungen zu diesen drei Gebäuden. Sie interessierten mich dermaßen, daß ich mich sofort hinsetzte und sie zu studieren begann. Zu einer so klaren, liebevollen Beantwortung alter, düsterer Ruinenfragen kann man doch wohl keinen Augenblick lang gleichgültig sein! Ich ließ mich darum nur kurze Zeit durch das Essen stören und saß noch gegen Abend rechnend, messend und kalkulierend da, als der Peder kam, um, wie er sagte, mir etwas Wichtiges mitzuteilen.
    Es war nämlich ein Bote dagewesen, welcher gemeldet hatte, daß der Scheik ul Islam und Ahriman Mirza gemeinschaftlich und in höchster Eintracht miteinander den hochverdienten Ghulam el Multasim zum Ustad der Taki-Kurden ernannt hätten. Man gebe uns das zu wissen, weil er beim Rennen auch erscheinen werde und dieser seiner Würde entsprechend von uns zu empfangen und zu behandeln sei. Unser Ustad war von seinem Ritt noch nicht heimgekehrt, und so hatte der Peder es für geboten erachtet, diese Neuigkeit herauf zu mir zu bringen. Ich sagte ihm:
    „Das hat nicht die geringste Wichtigkeit für uns. Man mag diesen ‚Henker‘ zum Kaiser von China oder gar zum Dalai Lama ernennen, so ist es uns doch im höchsten Grade gleichgültig. Er kann dem Schicksal, welches er sich selbst bereitet hat, durch keine Spiegelfechterei entgehen. Er griff zum Messer, um mich zu vernichten. Womit man sündigt, damit wird man bestraft. Wir haben es noch hier, unten in der Rumpelkammer. Warten wir ruhig ab, was geschieht!“
    Da ging er wieder. Hätte mich jemand gefragt, warum ich ihn grad mit diesem Bescheid gehen ließ, so wäre es mir wohl nicht gelungen, eine zufriedenstellende Erklärung abzugeben. Es soll vorkommen, daß der Mensch grad dann am klarsten spricht, wenn er sich selbst ein Rätsel ist!
    Bald darauf sah ich, daß der Ustad mit dem Hauptmann heimkehrte. Er ließ sich nach dem Abendessen für kurze Zeit bei mir sehen. Wir sprachen nur über den geplanten Kirchenbau; alles andere wurde vermieden. Doch bevor er ging, sah er nur lächelnd in das Gesicht und sagte:
    „Ich belästige dich nicht mit Dingen, die ich verpflichtet bin, auf mich selbst zu nehmen. Du sollst nicht Arbeiter sein bei mir, sondern mein lieber, hochwillkommener Gast, den ich nur dann mit der Bitte um Hilfe belästige, wenn ich sie nötig habe. Die geistige Gastfreundschaft hat genau dieselben Rücksichten zu nehmen wie die materielle. Ich weiß, daß du verstehst, was ich meine, und bin deiner Approbation gewiß!“
    Da reichte ich ihm die Hand und antwortete:
    „Du denkst da ebenso tief wie richtig. Du fragtest mich früher einmal, wer ich eigentlich sei; jetzt höre ich, daß du es weißt. Wollte man doch endlich einmal begreifen, daß der sogenannte Menschengeist kein Spezialblock ist, an dem die sogenannte Erziehung herummeißeln kann, wie es ihr beliebt! Wir sind miteinander verbunden und dennoch nicht nur einer. Sobald du mich brauchst, bin ich du!“
    Er sah mich an, sann einige Augenblicke nach, nickte dann und sprach:
    „Sehr richtig! Du treibst doch immer und immer Psychologie! Bisher war ich mir ein Rätsel. Kamst du, um mich zu lösen?“
    „Ein jeder löse sich selbst! Er hat ja Augen und Ohren und um sich herum eine ganze, ganze Welt, die ihn über sich selbst belehren soll und kann! Jetzt, gute Nacht, mein Freund. Du hast außer mir noch andere Gäste, deren Hände gestalten helfen, was zu gestalten ist. Hoffentlich sind es nur gute!“
    „Sie sind es. Mit den bösen rechnen wir in den nächsten Tagen ab. Du hörst, ich psychologisiere nun auch!“
    Soll ich nun wieder erzählen, daß und wie ich geschlafen habe? Es ist eigentlich eine Schande, von Tag zu Tag sagen zu müssen, daß man erst gegen Mittag aufgewacht sei; aber ich muß dieses Geständnis schon wieder machen, wünsche aber, zum letzten Mal. Jedenfalls war mir dieses ausgiebige Schlafen sehr nötig gewesen; der Erfolg bewies es mir. Nun aber war es genug! Ich ging hinab, ohne erst um Erlaubnis zu fragen.
    Zu wem? Natürlich zunächst zu Syrr, nach welchem ich mich förmlich

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