23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Wert. Ich pflege darum alles, auch das scheinbar Unbedeutende in Betracht zu ziehen.“
„Meinst du, daß dieser Tumanabdruck uns auf irgendeinen Gedanken bringen könnte?“
„Er kann es nicht nur, sondern er hat es bereits getan.“
„Bei dir?“
„Ja. Denke an die Ringe! Silberne und goldene. Das bessere Metall bedeutet einen höhern Rang. Liegt da nicht die Vermutung nahe, daß es in Beziehung auf den Siegelverschluß ebenso ist?“
„Das ist allerdings nicht unmöglich. Hieran hätte ich nicht gedacht!“
„Je höher der Rang des Schreibenden, ein desto wertvolleres Geldstück hat er zu nehmen. Und weiter! Warum nimmt man keine Petschaft, sondern Münzen?“
„Durch das Petschaft würde man sich unter Umständen verraten. Münzen aber können keinen Anhalt geben.“
„Sehr richtig! Hieraus aber ist darauf zu schließen, daß der Inhalt dieser Art von Briefen, falls sie in falsche Hände kommen, für den Schreiber selbst gefährlich ist. Der Tuman ist die höchste Münze. Der Verfasser dieses Schreibens steht also hoch im Rang. Sie ist ferner eine persische Münze. Der Brief aber wurde unten im Iraq Arabi aufgegeben, wo türkisches Geld kursiert. Was ist hieraus zu folgern?“
„Daß der Schreiber ein Perser ist und daß er dieses Goldstück als Petschaft bei sich trägt. Oder nicht?“
„Ja. Schau, wie nun auch dir Gedanken kommen! Der Tuman wollte dir erst als gleichgültig erscheinen, und jetzt hat er dir schon so viel gesagt!“
„Aber doch ohne Erfolg. Tuman ist Tuman. Es kann nicht ein jeder, der so ein Goldstück besitzt, der Schreiber dieses Briefes sein!“
„Allerdings. Aber bei wem man dieses findet, grad dieses, den darf man doch wohl mit sehr großer Wahrscheinlichkeit für den hohen Sill halten, der ihn abgeschickt hat?“
„Gewiß! Aber von wem könnte man erfahren, daß es grad dieser Tuman, also derselbe und kein anderer sei?.“
„Von dem Tuman selbst.“
„Wieso?“
„Betrachte die Siegel genau, so wirst du es wohl finden!“
Er tat es, doch, wie es schien, vergeblich.
„Ich sehe nichts Besonderes an diesem Abdruck“, sage er dann.
„Gehe über den Rand des Goldstückes hinaus“, unterwies ich ihn. „Was siehst du da?“
„Der Lack ist dick, der Abdruck also tief. An den Rändern gibt es auch Eindrücke, kleine, die wohl zufällige sind.“
„Nein, nicht zufällig. Schau sie genau an, und zwar nicht einzeln, sondern denke sie dir zusammen! Der Tuman hängt an einem dünnen Kettchen, dessen Glieder aus den Buchstaben Sâ und Lâm zusammengesetzt sind. Weil bei dem Siegeln zu viel Lack genommen worden ist, haben sich einige dieser Glieder mit abgedrückt. Nun ich dir dies gesagt habe, wirst du sie wohl deutlich als die genannten Buchstaben erkennen.“
„Allerdings, allerdings“, bestätigte er. „Nun ich es weiß, sehe ich es auch. Der Tuman hängt an einem Kettchen. Er wird also getragen, um immer bei der Hand zu sein. Aber wo?“
„Suche es! Die Antwort liegt schon bereit.“
„An welchem Ort?“
„Dort auf dem Brief.“
„Ich sehe nichts!“
„So will ich es dir sagen, damit du auch das dann siehst. Der Tuman hängt am Ring einer Geldbörse. Das andere Ende des Kettchens ist an diesen Ring befestigt. Das Goldstück steckt stets in der Börse. Wenn er sie durch das Aufschieben des Rings öffnet, zieht er dadurch zu gleicher Zeit den Tuman hervor. Er braucht ihn auf diese Weise nicht erst unter den andern Geldstücken hervorzusuchen und kann ihn auch nicht irrtümlicherweise ausgeben oder gar verlieren, falls er nicht etwa die Börse selbst verliert.“
„Bist du allwissend, Effendi? Ich sehe nichts von allem, was du sagst!“
„Man sieht es aber doch sofort! Wieviel Siegel hat der Brief?“
„Fünf.“
„Er wurde von rechts unten nach links oben gesiegelt. Der Lack ist ein sehr guter, weicher. Er wird nicht sofort hart. Das Kettchen ist nicht so lang wie der Brief breit ist. Als der Absender links oben das letzte Siegel machte, kam infolgedessen die Börse quer auf die drei ersten Siegel zu liegen. Indem er mit den Fingern den Tuman da oben in den Lack drückte, drückte er zu gleicher Zeit, natürlich aber ohne es zu wollen, mit dem Handballen auf die Börse. Die drei Siegel waren noch nicht ganz kalt und hart geworden, und so kam es, daß von den Maschen des Geldbeutels und von dem untern Teil des Rings Spuren entstanden, die gar nicht schwer zu bemerken sind. Du darfst nur nicht bloß nach den Abdrücken des Tuman sehen,
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