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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welche tief liegen, sondern auch die hohen, breiten Ränder des Lacks betrachten; dann wirst du ganz dasselbe bemerken wie ich.“
    Er sah genauer nach, gab dann den Brief dem Peder und sagte:
    „Schau auch du ihn an! Würdest du etwas finden, wenn du nicht gehört hättest, was der Effendi sagte? Und nun sieht man die Maschen ganz deutlich und auch die Stelle, wo der Ring gelegen hat. Und da habe ich geglaubt, sehen zu können!“
    „Du konntest auch sehen, aber du dachtest und kombiniertest nicht dabei“, erklärte ich. „Es ist gar nicht so leicht, wie ihr nun vielleicht denken werdet, mit dem körperlichen Auge diese Eindrücke, mit dem geistigen dann aber auch sofort das Kettchen, die Börse und den Ring zu sehen. Nachdem ich vorwärts geschlossen und die Sache gefunden habe, ist es nun für euch nicht schwer, auf diesem meinem Weg rückwärts zu gehen und mir zu bestätigen, daß ich mich nicht geirrt habe. Dein Wunsch, Ustad, ist also erfüllt: Du weißt, wo der Tuman getragen wird.“
    „Ja“, lächelte er. „Wenn ich einen Menschen sehe, an dessen Geldbeutelring, wenn er ihn aus der Tasche zieht und öffnet, an einem Sâ- und Lâm-Kettchen ein persischer Goldtuman hängt, so habe ich den Verfasser dieses Briefes entdeckt! Mein lieber Effendi, habe doch die Güte, ihn mir so schnell und so sicher zu bringen, wie du uns gelehrt hast, diese Siegel zu verstehen! Kannst du zaubern?“
    „Nein. Es gibt überhaupt keine Zauberei. Aber wer zur rechten Zeit und an der rechten Stelle zuzugreifen versteht, dem wird vieles gelingen, worüber andere sich dann laut verwundern. Der Schreiber dieses Briefes ist ein Perser. Wir sind in Persien. Ist es eine Unmöglichkeit, daß er uns irgendwo und irgendwann begegnet? Aber ihn dann auch wirklich sehen, ihn erkennen und – dann rasch zugreifen! Das ist es, was wir dann zu tun hätten! Würden wir das?“
    „Ich hoffe es!“ antwortete der Ustad, indem er den Brief von dem Peder zurücknahm. „Aber das Schreiben ist ja noch gar nicht geöffnet! Warum nicht?“
    „Weil ich nicht der Adressat bin. Verschlossene Briefe sind mir heilig.“
    „Was bist du für ein Mann! War den Schatten vielleicht an dir etwas heilig? Sogar ermordet solltet ihr von ihnen werden! Und nun wagst du dich nicht an dieses armselige Papier, obwohl du weißt, daß ein Schatten es beschrieben hat und daß es höchst wahrscheinlich Dinge enthält, welche guten, ehrlichen Menschen Schaden bringen müssen! Ich werde ihn sofort öffnen!“
    Er nahm ihn derart in seine beiden Hände, daß ich sah, er wolle die Siegel erbrechen.
    „Halt!“ rief ich ihm zu. „Nicht so!“
    „Wie denn?“
    „Verletze die Siegel nicht!“
    „Du meinst, ich solle ihn aufschneiden?“
    „Auch nicht!“
    „Aber was sonst? Warum diese Einwände?“
    „Weil wir Grund haben, bedachtsam zu sein! Es ist möglich, daß wir diesen Brief zu unserem Vorteil brauchen können, entweder gegen den Verfasser selbst oder gegen Ghulam, an den er gerichtet ist, vielleicht auch gegen beide.“
    „Um dies zu wissen, müssen wir ihn eben öffnen und lesen!“
    „Aber mit Vorsicht! Wie nun, wenn wir nach dem Öffnen guten Grund fänden, die Schatten glauben zu machen, daß er noch unverletzt sei?“
    „Maschallah! Hältst du das für möglich?“
    „Gewiß! Wir haben ihn so zu öffnen, daß wir ihn genau wieder so verschließen können, wie er jetzt verschlossen ist.“
    „Wer kann das tun! Ich habe kein Geschick zu solchen Dingen!“
    Bei diesen Worten reichte er das Schreiben mir. Nun untersuchte ich es sorgfältiger, als ich es früher getan hatte. Ich war der Meinung gewesen, daß es ein zusammengefaltetes Blatt sei, aus nur einem Stück bestehend. Als ich den Brief nun gegen das Licht hielt, bemerkte ich, daß er aus zwei Teilen bestand, dem Umschlag und dem eigentlichen Schreiben, welches innen lag. Der Umschlag war kein Couvert in unserm Sinn, mit vier auf die Rückseite geschlagenen und dort zusammengeleimten Ecken, sondern einfach ein zusammengelegtes und mit den Enden ineinander gestecktes Papier, ungefähr so, wie unsere Apotheker die Papierumschläge fertigen, in denen sie ihre Pulver verkaufen. Es gab also auf der Rückseite nicht vier zusammenstoßende Ränder, sondern nur einen, der quer über die Mitte ging. Er war durch das mittelste Siegel verschlossen worden. Die andern vier Siegel erschienen also als vollständig überflüssig obgleich anzunehmen war, daß man auch sie nicht ohne Grund angebracht hatte.
    Es

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