23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
der Herr im ‚hohen Haus‘ sein. In deiner Hand weiß ich mein kleines Reich am besten aufgehoben. Hier mein Peder hört, was ich dir jetzt sage. Er wird, was du befiehlst, so auszuführen wissen, als ob ich selbst es ihm befohlen hätte.“
„Du willst verreisen?“ fragte ich erstaunt.
„Ja“, antwortete er.
„Darf ich wissen, wohin?“
„Natürlich! Du bist ja nun der Herr, von dieser Stunde an! Ich gehe nach Isfahan, zum Schah-in-Schah. Infolgedessen, was ich heut von meinen Feinden hörte.“
„Vortrefflicher Gedanke!“ stimmte ich ihm bei.
„Es freut mich sehr, daß du derselben Ansicht bist. Ich hab es ihnen ehrlich mitgeteilt, daß ich mir an der rechten Stelle Hilfe suchen werde. Sie höhnten wohl darüber. Wer sich allein auf seinen Schah verläßt und dieses ohne Furcht und offen sagt, den wird man zwar verspotten und zum Gelächter machen; doch wenn die Zeit des Schah gekommen ist, dann regt die Schar der Amdschaspands (Heerscharen, Engel) die Schwingen, und Geist um Geist fährt mit dem Schwert darein, dem Kindesglauben Himmelssieg zu bringen!“
Er hatte meine Hand ergriffen und schaute mit einem Blick aufwärts, in welchem allerdings ein Vertrauen glänzte, dem keines Spötters Wort je imponieren konnte.
„Du willst den Herrscher selbst sprechen?“ fragte ich.
„Nur ihn! Zwischen ihm und mir gibt es keine Mittelsperson. Ich sage ihm alles, alles, so wie ein Kind zu seinem Vater spricht. Es ist wie ein Gebet, bei dem ein Dritter doch nur stören würde.“
„Um was willst du ihn bitten?“
„Um nichts. Ich sage ihm, was ich zu sagen habe. Dann tut er selbst, was er für richtig hält. Ich stehe vor ihm aufrecht wie vor Gott. Ich meide jene kriecherische Weise, die auf gebeugten Knien sich bis zum Thron schiebt, um dort den eigenen Vorteil zu erschleichen und dann, wenn sie den Schah verlassen hat, die um ihr Recht Gebrachten zu verachten. Es ist mir also völlig unbekannt, was er für mich und uns bestimmen wird. Doch bin ich überzeugt, daß es weit über alle Wünsche geht, die du für mich im Herzen tragen könntest.“
„Aber der weite Weg! Fürchtest du ihn nicht?“
„Fürchten? Den Weg zu meinem Schah? Wie weit ist doch der Himmel von der Erde! Und täglich steig ich auf, um mit Chodeh zu sprechen! Dem Glauben, dem Vertrauen ist nie ein Weg zu weit und nie ein Herrscher fern! Auch mache ich diese Reise nicht allein. Ich habe Dschamikun an meiner Seite, die mich begleiten werden. Auch geht der Kaufmann mit, der heute bei uns schläft.“
„Agha Sibil?“
„Ja.“
„Sibil heißt Schnurrbart. Ist dieses Wort sein richtiger Name, oder nennt man ihn vielleicht nur seines Bartes wegen so?“
„Wahrscheinlich ist dies letztere der Fall, denn einen Bart, wie er ihn trägt, hab ich noch nie gesehen. Ich halte mich von Kaufgeschäften fern. Ich lasse das gern dem Peder hier über. Er kann dir Auskunft geben, wenn du willst.“
Es verstand sich ganz von selbst, daß mir erwünscht war, wo möglich Bestimmtes über den Handelsmann zu erfahren; darum fragte ich den Scheik:
„Kennst du die Verhältnisse dieses Agha Sibil?“
„Ich pflege nicht mit Leuten Geschäfte zu machen, die ich nicht kenne. Er ist reich, sehr reich, aber ehrlich und bescheiden.“
„Hat er Kinder?“
„Eine Tochter und zwei Enkel.“
„Sind die Enkel die Kinder dieser Tochter?“
„Sie sind es.“
„Wenn du die Namen wüßtest!“
„Ich kenne sie, denn wenn ich nach Isfahan komme, pflege ich sein Gast zu sein. Die Tochter heißt Aelmas. Ihr Mann war ein türkischer Offizier, der in Damaskus erschossen worden ist. Ihr Sohn, welcher heut mit seinem Großvater hier bei uns ist, heißt Ikbal, ihre Tochter Sefa.“
„Ist die Tochter verheiratet?“
„Nein. Sie will im Hause Agha Sibils bleiben.“
„Wie kommt es, daß die Tochter eines persischen Kaufmanns in Isfahan die Frau eines türkischen Offiziers in Damaskus geworden ist. Dieser letztere ist doch wahrscheinlich Sunnit gewesen, während sie Schiitin war!“
„Ich glaube, im Kreise der Familie sogar gehört zu haben, daß er vordem Christ gewesen ist. Wenn ich mich nicht irre, stammte er aus dem Land, welches man Lehistan (Polen) nennt. Er lernte den Kaufmann in Palästina kennen, wo dieser damals wohnte. Als die Tochter desselben seine Frau geworden war, kam er nach Damaskus. Agha Sibil zog mit. Bei der großen Christenverfolgung dort ereignete sich das schwere Unglück, welches die Familie traf. Der Offizier wurde wegen
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