23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
ganz gewiß!“
„Effendi! Da widersprichst du dir doch selbst!“
„Nein!“
„Gewiß! Wenn es ein höheres Zeichen gibt, so ist auch ein höherer Sill da. Der es trägt, steht also über dem Mirza!“
„Das ist ein logisch richtiger, aber ein praktisch falscher Schluß. Er trägt sie nämlich beide!“
„Beide? Das sagst du mit solcher Sicherheit? Woher weißt du es?“
„Ich bitte dich, nachzudenken. Als Oberster ist er im Besitz sämtlicher Zeichen, die es gibt. Er hat ja auch den Tuman an der Kette. Ich bin überzeugt, daß er, falls er es für nötig hält, auch den silbernen Ring ansteckt, um sich für einen gewöhnlichen Sill auszugeben. Wenn er dagegen als Ämir in der Versammlung seiner Pädärahn erscheint, wird er das höchste Zeichen tragen. Du hast aber gehört, daß er sich zu fürchten hat. Er wird in dieser Versammlung ganz gewiß sein Gesicht maskieren. Außerhalb derselben, im gewöhnlichen Leben, kann er es nicht verbergen. Wird er sich da durch das Tragen des höchsten Zeichens verraten?“
„Nein, gewiß nicht. Ein Zeichen muß er aber auch da tragen. Warum nimmt er da nicht einen gewöhnlichen Ring?“
„Alter Psychologe!“ scherzte ich da. „Weißt du denn noch nicht, daß das Laster selbstgefälliger als die Tugend, die Häßlichkeit eitler als die Schönheit ist? Und grad dieser Mann besitzt eine Gefallsucht, die ihresgleichen wohl kaum wiederfindet. Du hast ja seinen Anzug und sein Pferdegeschirr gesehen. Alles an ihm ist Prunk, Flitter, Prahlerei und Flunkerei! Einen gewöhnlichen Ring wird er nur aus Hinterlist anstecken. Wenn sich solche Leute einmal herablassen, haben sie stets die Bosheit im Nacken sitzen. Für einen seiner Pädärahn gehalten zu werden, das gibt sein Hochmut, sein Eigendünkel nicht zu. Dieser Dünkel läßt sogar die Vorsicht außer acht. Er steigt bis an die letzte Grenze der Gefahr hinauf. Wenn er sich nicht als ‚Fürst der Schatten‘ zu erkennen geben darf, so soll man ihn aber doch für eine hervorragende ‚Charge‘ halten. Hast du noch nicht gehört, daß sich das Verbrechen unter seinesgleichen größer zu machen strebt, als es in Wahrheit ist? Die Sorge um sein Leben und seine Sicherheit gebietet ihm, sich kleiner zu machen; aber mehrere Schritte tiefer zu steigen, das fällt ihm gar nicht ein. Er tut wahrscheinlich nur einen einzigen. Er ersinnt ein Zeichen, welches scheinbar tiefer weist, aber auch nur scheinbar, denn ich bin überzeugt, daß nur er allein, aber kein anderer ein solches Gürtelschloß besitzt. Wer es sieht, wird ihn für einen hohen Sill halten, wenn auch nicht für den höchsten. Auf diese Weise wird er beiden gerecht, seiner Vorsicht und auch seiner Eitelkeit. Nun aber habe ich eins zu fragen: Er sagte heute vor der Dschema: ‚Ihr seht mich jetzt zum ersten Mal. Auch mein Name war euch bisher unbekannt. Ihr wißt also nicht, wer und was ich bin.‘ Wie konnte er in dieser Weise sprechen? Waren seine Person und sein Name euch wirklich so unbekannt, wie er glaubte?“
„Nein“, antwortete der Ustad. „Er glaubte es auch nicht. Er weiß vielmehr sehr genau, daß besonders ich ihn kenne, weil ich ihn schon öfters getroffen und auch mit ihm gesprochen habe.“
„Das ist es, was ich wissen wollte! Sein Hochmut hat ihn verleitet, mehr zu sagen, als er beabsichtigte. Ihr kennt seine Person und seinen Namen. Das weiß er. Er behauptete trotzdem, ihr wisset nicht, wer und was er sei. Er muß also jemand und etwas sein, was außerhalb des Namens Ahriman Mirza liegt. Was ist das nun? Etwas Gewöhnliches oder etwas Bedeutendes. Ich meine das letztere, denn er sagte in Beziehung hierauf: ‚Meine Freundschaft kann selig machen, und meine Feindschaft kann verdammen.‘ Wer das sagen kann, muß sich für den Höchsten im ganzen Reich halten! In welcher Beziehung aber ist er dies? Im guten oder im bösen Sinn? Im guten, im gesetzlichen Sinn ist es der Schah. Es bleibt also nur die Kehrseite des Guten, also das Böse. Wer da sagt: ‚Meine Feindschaft kann verdammen‘, ist unmöglich ein guter Mensch. Hierzu kommt die Erwägung daß er das, was ihm seine Macht verleiht, geheimhalten muß. Es ist also etwas Verbotenes, etwas Ungesetzliches. Das sind die einzelnen Posten. Ziehen wir nun die Summe!“
„Laß mich es tun!“ bat der Peder. „Ich will doch auch mitsprechen!“
„Gut! Tue es!“ antwortete ich, weil ich mich über sein Bemühen freute, mir mit Aufmerksamkeit zu folgen.
„Das Ergebnis ist überraschend“,
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