23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Fühlst du den Mut, den Heldenmut in dir, mir deine Seele, deinen Geist zu schenken, so feiern wir die Auferstehung hier, indem wir ineinander uns versenken!“
Da schlug er beide Arme um mich, zog mich so fest, so fest an sich, als ob unsere Körper nur einen einzigen Leib zu bilden hätten, und antwortete:
„Ich habe den Mut; ich bin dein; nimm mich hin!“
Da verlöschte plötzlich das Licht. Es war vollständig herabgebrannt gewesen. Der Peder ging fort, dem abzuhelfen. Als er wiederkam, standen wir miteinander draußen auf dem Söller. Der Ustad hatte soeben mit der Hand auf die vor uns liegende, vom Himmel bestrahlte, kleine Welt gedeutet und gesagt:
„Es ist, als hätte ich das alles für dich vorbereitet, damit den Seelen meiner Dschamikun nun auch der rechte Geist gegeben werde, jener Geist der liebenden Unerbittlichkeit, der mir die Augen öffnete und uns in diesem ‚Schattenland‘ so nötig ist! Du hast mich heut verdoppelt, und dadurch auch die Hoffnung auf den Erfolg. Zwei Ustawat, und doch ein einziger nur! Stelle zwei Kerzen nebeneinander. Geben sie zwei Scheine? Nein. Es ist nun Doppelkerzenlicht!“
Da trat der Peder an die Tür und forderte uns auf:
„Ihr könnt wieder hereinkommen. Es ist nun heller als vorher.“
Wir folgten diesen Worten. Er zeigte nach dem Tisch. Da standen jetzt zwei Kerzen statt der einen. Sonderbar! Der Ustad lächelte.
„Siehst du?“ scherzte er mir zu. „Seien wir Autoren oder nur Autor, wir liefern die Gedanken, und er als praktischer Peder der Dschamikun ist schnell bereit, sie in Gestalt zu fassen. So soll es immer sein. Dann wird es im Duar bald ein bewegtes, frohes Leben geben!“
Er liebte es, in Bildern zu sprechen. Wer ihn verstehen wollte, hatte nachzudenken. So auch hier. Wen oder was meinte er mit den Dschamikun, denen sein ganzes Herz gehörte? Wo lag oder liegt wohl der Duar, über den die ‚Glocken des Gebets‘ für jeden Wunsch erklangen? In Persien? Ich will es nicht verraten. Die Folge wird es zeigen!
Wir waren mit unserer Besprechung noch nicht fertig und doch mahnte der Scheik:
„Es ist jetzt wohl schon Mitternacht. Willst du nicht vor der Reise schlafen, Ustad? Und der Effendi steht noch im Genesen. Durchwachte Nächte sind ihm untersagt.“
Da antwortete der erstere: „Ich habe weder Zeit noch Lust zum Ruhen. Was in mir lebt, kennt keine Mitternacht.“
Und ich fügte hinzu: „Mein Körper ist gewöhnt, dem Willen zu gehorchen. Ich fühle jetzt noch keine Müdigkeit. Die Seele hat die Macht, ihm, dem Geschwächten, ihre Kraft zu leihen. Ich halte aus, bis wir zu Ende sind.“
Da griff der Ustad nach meiner Hand, fühlte den Puls und sagte verwundert:
„Wie ruhig und kräftig! Genau so wie der meine! Jawohl, ich glaube, daß wir weitersprechen können. Wo waren wir stehengeblieben? Doch wohl bei Ahriman. Der wieder auferstandene Offizier brachte uns auf ihn. Willst du hier fortfahren, Effendi?“
„Ja“, antwortete ich. „Ich werde dem alten Mir Alai einen Brief nach Bagdad schreiben. Er bekommt ihn durch einige Dschamikun, welche zu ihm reiten, um ihn mit samt seinem dicken Kepek zu holen. Er hat schon vor dem Tag des Wettrennens einzutreffen. Du erlaubst seinem Schwiegervater, an diesem Tag sein Verkaufszelt hier aufzuschlagen. Ich spreche mit ihm, noch ehe du mit ihm abreist. Er wird seine Tochter und deren Kinder mitbringen. Das gibt ein Wiedersehen, auf welches ich mich unendlich freue. Ist dir diese Anordnung recht?“
„Was du bestimmst, das ist mir immer recht! Soll Agha Sibil am Tag des Wettrennens überrascht werden, oder willst du ihm schon jetzt alles sagen?“
„Schon jetzt, alles! Es ist Grausamkeit, einem Menschen eine Freude vorzuenthalten, die man ihm sofort bereiten kann. Und so große seelische Erregungen, wie man hier zu erwarten hat, sollen möglichst vorbereitet sein.“
„Ich gebe dir recht. Ist das erledigt?“
„Ja. Nehmen wir also nun Ahriman Mirza wieder vor! Ich habe zu versuchen, den Beweis zu führen, daß er der Ämir-i-Sillan ist.“
„Den hast du schon geführt. Wenigstens für mich ist es so gut wie bewiesen.“
„Wodurch?“
„Durch den Ton, in welchem du uns seinen Brief vorlast. Dieser Ton ist nur der seine. So spricht und schreibt kein anderer. Auch hat er das höchste Sillan-Zeichen, welches wir kennen.“
„Wissen wir denn genau, daß es das höchste ist?“
„Freilich nicht. Es ist ja möglich, daß es ein noch höheres gibt.“
„Nicht nur möglich, sondern
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