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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ungehorsam erschossen. Agha Sibil wurde vollständig ausgeplündert und mußte als Schiit fliehen. Es gelang ihm, mit der Tochter und deren Kindern nach Persien zu entkommen, wo er ein neues Geschäft begann und es durch Fleiß und Ehrlichkeit zu seinem jetzigen Vermögen brachte. Deine Augen leuchten, Effendi. Warum? War dir von dem, was ich erzähle, vielleicht schon etwas bekannt?“
    „Ja“, antwortete ich, indem ich vor freudiger Erregung im Zimmer hin und her zu gehen begann.
    „Was? Oder wer?“
    „Wer? Der Offizier.“
    „Kanntest du ihn, ehe er erschossen worden ist?“
    „Nein, sondern als er erschossen worden war.“
    „So hast du seine Leiche gesehen.“
    „Leiche? Hm! Ja! Denn er war eigentlich eine Leiche. Aber ich habe mit dem Erschossenen gesprochen.“
    „Maschallah! Tote reden doch nicht mehr!“
    „Zuweilen doch! Besonders Erschossene, welche keine Kugel bekommen haben!“
    „Keine – – – -Kugel – – –? Effendi, du scherzt wohl!“
    „Ich spreche im größten Ernst. Ich habe mit dem Toten gesprochen, und ihr beide kennt ihn auch.“
    „Wir – – –? Daß ich nicht wüßte!“
    „Ich habe euch doch von jenem alten Bimbaschi in Bagdad erzählt, welcher dann Mir Alai geworden ist!“
    „Allerdings. Bei dem du wohntest und der von dem Säfir gefangengenommen wurde?“
    „Derselbe! Er ist nun ein doppelter Bekannter von euch, denn ihr kennt ihn erstens durch mich und zweitens durch den Kaufmann Agha Sibil. Ich bin sogar nun überzeugt, daß ihr ihn auch noch persönlich kennen lernen werdet. Er ist nämlich der Offizier, welcher damals in Damaskus erschossen wurde.“
    Da fuhr der Peder von seinem Sitz auf, als ob er von einer gewaltigen, unsichtbaren Spannfeder emporgeschnellt worden sei.
    „Der Christ, um den so viel geweint worden ist?“ rief er aus. „Der Sunnit, dem die Schiiten treu geblieben sind, obgleich er starb? Der Mann, der von seinem Weib angebetet wurde? Der Vater, den seine Kinder heut noch lieben, obwohl sie sich seiner Person nicht erinnern können? Der ist nicht tot? Der lebt noch? Der ist ihnen allen, allen auch ehrlich treu geblieben, trotzdem er in ein anderes Land gegangen war? Effendi, ist das wohl zu glauben! Ich weiß, daß du nicht lügst, doch bitte ich, erzähle uns, wie das gekommen ist!“
    „Ja. Ich will und muß es euch erzählen. Ich will euch nicht warten lassen, bis er selbst erscheint, um euch zu beweisen, daß, wenn Gott will, der Tod nur eine leere Sage ist. Setzt euch hier vor mir nieder, und hört, was ich berichte!“
    Da sie über den alten Zoll-Bimbaschi schon alles übrige von mir erfahren hatten, so brauchte ich jetzt nur über das zu sprechen, was mir von ihm über seine Familienverhältnisse mitgeteilt worden war. Ich schilderte hierauf seine Trauer über die scheinbar Verlorenen und erwähnte schließlich meine Bemühung die Hoffnung in ihm zu erwecken, daß sie doch vielleicht noch leben könnten. Da stand der Ustad von seinem Sitz auf, legte die Hände langsam ineinander und sagte, indem ein tiefer Atemzug seine Brust schwellte:
    „Du hast zu diesem deinem Freund von einer Auferstehung der ‚Totgesagten‘ gesprochen, und wir sind berufen, diese Auferstehung in das Werk zu setzen. Auch ich kenne einen Totgesagten. Er wird von vielen, vielen für tot gehalten. Sie glauben jetzt, daß er in ein anderes Land gegangen sei. Wie denkst du über ihn, Effendi? Du weißt ja, wen ich meine!“
    Da fühlte ich, daß ein ganz seltenes Licht in meine Augen kam. Es wallte mir heiß vom Herzen nach dem Kopf. Ich ging zu ihm hin, schlang meinen Arm um seine Schulter, legte meine Wange an die seine und fragte ihn:
    „Wünschst du, daß er von diesem aufgezwungenen Tod aufersteht?“
    Er nickte nur, sagte aber nichts. Doch legte er seine Hand an meinen Kopf, um ihn fest an den seinigen zu drücken.
    „Wohlan!“ fuhr ich fort. „Da wir einmal im Begriff stehen, die ‚Auferweckung der Totgesagten‘ in das Werk zu setzen, so wollen wir bei dieser Gelegenheit auch ihn mit auferstehen lassen! Ist dir das recht?“
    Seine mir jetzt so nahen Augen schauten mit unendlicher Liebe in die meinen.
    „Kannst du es? Willst du es?“ fragte er.
    „Für dich so gern!“ antwortete ich.
    „Denkst du, daß es geschehen kann?“
    „Da wir uns lieben, ist es leicht, so leicht!“
    „Wie aber wird es wohl zu machen sein?“
    „Ich bitte dich, das mir zu überlassen! Leg deine Hand getrost hier in die meine! Und nun höre, was ich sage:

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