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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ha-Joon Chang
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sogar weit über das Verständnis der angeblichen Experten hinausgingen, wie sich 2008 leider gezeigt hat.
    Jetzt denken Sie vielleicht, ich wäre zu extrem. Mit anderen Produkten jedoch machen wir so etwas die ganze Zeit: mit Medikamenten, Autos, Elektrogeräten und vielem mehr. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen ein neues Medikament entwickelt, gelangt es nicht sofort in den Verkauf. Die Wirkungsweise eines Medikaments und die Reaktion des menschlichen Körpers sind sehr komplex. Daher muss das Medikament erst gründlich getestet werden, bevor man sicher sein kann, dass die positiven Wirkungen für die Gesundheit die möglichen Nebenwirkungen überwiegen, und es freigegeben wird. Es ist nichts Außergewöhnliches dabei, wenn man verlangt, auch Finanzprodukte zunächst auf ihre Sicherheit hin zu überprüfen, bevor sie verkauft werden dürfen.
    Solange wir unsere Entscheidungsspielräume nicht gezielt eingrenzen, indem wir strenge Regeln aufstellen und dadurch die Umgebung vereinfachen, in der wir uns zurechtfinden müssen, wird unsere eingeschränkte Rationalität mit der Komplexität der Welt nicht fertig werden. Der Grund dafür ist nicht, dass die Regierung notwendigerweise besser weiß, welche Regeln wir brauchen. Vielmehr sind es unsere beschränkten geistigen Fähigkeiten, die Regeln überhaupt notwendig machen. Das müssen wir endlich akzeptieren.

Siebzehn: Mehr Bildung allein macht ein Land nicht reicher.

Was sie uns erzählen

    Gut ausgebildete Arbeitskräfte sind für die wirtschaftliche Entwicklung absolut unerlässlich. Der beste Beweis dafür ist der scharfe Kontrast zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg der ostasiatischen Länder, in denen die Bildungspolitik Großes geleistet hat, und der wirtschaftlichen Stagnation der subsaharischen Länder Afrikas, deren durchschnittlicher Bildungsstand zu den niedrigsten der Welt zählt. Mit dem Aufkommen der sogenannten Wissensökonomie, in der das Wissen die Hauptquelle für Wohlstand darstellt, ist die Bildung, insbesondere die höhere Bildung, zum absoluten Schlüsselfaktor der Prosperität geworden.

Was sie uns verschweigen

    Es gibt bemerkenswert wenig Beweise dafür, dass mehr Bildung zu größerem nationalem Wohlstand führt. Ein Großteil des Wissens, das durch die Bildung vermittelt wird, ist für eine Produktivitätssteigerung nicht relevant, wiewohl es den Menschen ermöglicht, ein erfüllteres und unabhängiges Leben zu führen. Auch der Glaube, dass die Wissensökonomie die Bedeutung der Bildung dramatisch erhöht hat, führt in die Irre. Zunächst ist der Begriff »Wissensökonomie« an sich problematisch, weil Wissen seit jeher der wichtigste Schlüssel zum Wohlstand ist. Darüber hinaus sind in den reichen Ländern durch Industrialisierung und Mechanisierung die Wissensanforderungen in den meisten Berufen möglicherweise sogar gesunken. Selbst im Bereich der höheren Bildung, der in der Wissensökonomie eine überragende Bedeutung zugeschrieben wird, gibt es keinen klar erkennbaren direkten Bezug zum volkswirtschaftlichen Wachstum. Bei der Ermittlung des nationalen Wohlstands ist nicht das Bildungsniveau Einzelner entscheidend, sondern ob es einer Nation gelingt, diese Einzelnen in wirtschaftlichen Unternehmungen mit hoher Produktivität zu organisieren.

Bildung, Bildung, Bildung

    »Bildung, Bildung und nochmals Bildung« – so fasste der ehemalige britische Premierminister Tony Blair die drei obersten Prioritäten seiner künftigen Regierung während der Wahlkampagne 1997 zusammen, durch welche seine »New« Labour Party nach beinahe zwei Jahrzehnten in der politischen Wildnis wieder an die Macht gelangte.
    Man kann darüber streiten, ob die Bildungspolitik von New Labour später erfolgreich war oder nicht, unstrittig jedoch ist, dass Blairs Aussage ein perfektes Beispiel für seine außergewöhnliche Gabe ist, zur richtigen Zeit das Richtige zu sagen (soll heißen, bevor er wegen der Irakfrage die Nerven verlor). Vor Blair hatten schon viele andere Politiker eine bessere Bildung gefordert. Er jedoch sprach das Thema zu einem idealen Zeitpunkt an: Seit den Achtzigerjahren war die sogenannte Wissensökonomie aufgekommen, und nun war die ganze Welt vollends davon überzeugt, dass Bildung der Schlüssel zu wirtschaftlicher Prosperität sei. War die Bildung bereits in den frühen Tagen der Industrialisierung wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg gewesen, so müsste sie nun das A und O des Informationszeitalters sein, wo Hirnschmalz und nicht

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