23 Uhr, York Avenue
Gesellschaft ein. Und in der Tat ist jener Begriff, der das alltäglichste aller Verbrechen bezeichnet - das simple Wort ›Einbruchdiebstahl‹ nämlich die perfekte Beschreibung der Entjungferung eines unberührten Mädchens. Somit will ich Ihnen heute abend sagen, daß die Verübung eines Verbrechens eine Ersatzhandlung für den Geschlechtsakt darstellt, von Menschen ausgeführt, denen diese gleichsam sexuelle Tätigkeit bewußt, unbewußt oder unterbewußt außerordentlichen Genuß bereitet.
Wenn das Verbrechen vollbracht ist - was dann? Wenn der Geschlechtsakt zu Ende ist - was dann? Was auf das Eindringen folgt, gleicht einander in beiden Fällen sehr: die Flucht und das Zurückziehen. Tatort und Geliebte werden verlassen. Ein überhasteter Abgang und manchmal ein schwieriges Loskommen voneinander, eine - körperlich oder emotionell - schwierige Entflechtung.
Ich weise Sie darauf hin, daß die Verübung des Sexualverbrechens - und es ist meine Überzeugung, daß alle Verbrechen Sexualverbrechen sind - unserem verwirrten Protagonisten kinderleicht von der Hand geht. Das Zurückziehen, die Flucht, fällt ihm weitaus schwerer. Betrachtet man nämlich die puritanische Verklemmung, unter welcher die meisten Amerikaner leiden, so ist das Zurückziehen oder die Flucht mit einem Eingeständnis der Schuld verbunden, mit einer emotionellen Sehnsucht nach Bestrafung, mit dem entsetzlichen, nagenden Wunsch, gefaßt und öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.
Sex und Verbrechen. Eindringen und Zurückziehen. Es will mir scheinen, daß das alles untrennbar miteinander verknüpft ist. Und nun, wenn Sie gestatten, möchte ich ein verwandtes Gebiet etwas näher beleuchten, und zwar…«
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Aus dem Abschlußbericht von Hauptmann Edward X. Delaney, Aktenzeichen NYPD-EXD-1 SEP 1968. »Es war jetzt, würde ich sagen, annähernd 4.45 Uhr. Wir wurden aus dem Fenster im vierten Stock nicht mehr unter Feuer genommen. Plötzlich fielen in der Nachbarschaft der Kreuzung York Avenue und Vierundsiebzigste Straße einige Pistolenschüsse. Ich setzte unverzüglich die Beamten Oliver J. Kronen (Dienstnummer 76 398 542) und Robert L. Breech (Dienstnummer 92356 762) in Marsch, um den Vorfall zu untersuchen. Der Beamte Kronen kehrte nach wenigen Augenblicken zurück und berichtete, daß ein Beamter getötet, ein anderer am Oberschenkel verwundet worden war. Beide hatten sich im Wagen George Neunzehn befunden, der den Fluchtweg aus der York Avenue an dieser Ecke abriegelte.
Ich trat daraufhin über das Funksprechgerät mit meinem Gefechtsstand in Verbindung. Ich befahl meinem Fahrer, dem Beamten McClaire, den bereitstehenden Krankenwagen an die Straßenecke Vierundsiebzigste Straße zu entsenden. Er nahm den Befehl zur Kenntnis. Zur gleichen Zeit wies ich ihn auch an, dem Nachrichten-Verbindungszentrum die augenblickliche Lage zu melden und darum zu ersuchen, man möge die Information an Kommissar Walter Abrahamson und an den Stellvertreter des Polizeipräsidenten, Arthur C. Beatem, weiterleiten. McClaire nahm den Befehl zur Kenntnis. Dann begab ich mich unverzüglich an der Spitze einer Abteilung von sechs bewaffneten Beamten in das Gebäude York Avenue 1370. Unser Weg führte an der Leiche des maskierten Mannes vorbei, der bei seinem Fluchtversuch getötet worden war. Spätere Nachforschungen ergaben, daß es sich um Samuel ›Skeets‹ Johnson handelte, einen Neger. Sodann betraten wir die Halle, wo wir einen Mann weißer Hautfarbe vorfanden, der auf dem Boden saß, den Rücken an die Wand gelehnt, die Hände erhoben. Er wurde in Gewahrsam genommen. Spätere Nachforschungen ergaben, daß es sich um Ernest Heinrich Mann handelte. Zu diesem Zeitpunkt vereinigte sich meine Abteilung mit den Männern des taktischen Einsatztrupps, die von der Terrasse herunterkamen, und mit den Beamten, die an der Rückseite des Gebäudes stationiert gewesen waren. Letztere hatten einen weiteren Verdächtigen namens Thomas J. Haskins in Gewahrsam genommen. Wir begannen mit einer eingehenden Durchsuchung des Gebäudes und fanden den Hausbesorger schlafend in seiner Kellerwohnung vor. In der Wohnung 4 A fanden wir auch einige der Mieter und den Portier vor. Einer der Mieter, nämlich Gerald Bingham sen., war verletzt und stand sichtlich unter Schockeinwirkung. Sein rechtes Auge blutete stark. Neben den Leuten, die in dieser Wohnung gefangengehalten worden waren, fanden wir dort auch einen maskierten Mann vor, der auf dem Boden lag; er war schwer
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