Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
230 - Gilam'esh'gad

230 - Gilam'esh'gad

Titel: 230 - Gilam'esh'gad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
Mitglieder – allesamt bedeutende Quan’rill, von denen einige sogar unerkannt im HydRat (Städtegremium der Hydriten, hochrangig besetzt) saßen –, zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Das Seebeben hatte an der Ostflanke der Philippinen einen riesigen Küstenstreifen abgebrochen. Dessen Trümmer waren beim Sturz in die Tiefe auseinander gedriftet und hatten auf einer Strecke von mehreren Meilen eine Transportröhre zerschlagen.
    Schäden am hydritischen Wegenetz, das sich kreuz und quer über den Meeresboden zog, waren eigentlich ein Fall für den HydRat. Ihm oblag die Anordnung von Reparaturmaßnahmen, besonders solche größeren Ausmaßes. Kosten und Nutzen wurden stets sorgfältig gegeneinander abgewogen, ehe man etwas unternahm.
    Bei dieser einen Transportröhre jedoch hätte der HydRat erst gestaunt und dann abgewunken. Sie war auf keiner Karte verzeichnet. Sie war uralt.
    Und sie führte direkt nach Gilam’esh’gad.
    »Das ist ja wie ein Fluch!«, schimpfte Skorm’ak, der Vorsitzende des Geheimbundes, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, die marsianische Vergangenheit der Hydriten, die Existenz von Gilam’esh’gad und im Besonderen die ihrer Vernichtungswaffen im Dunkel der Geschichte zu verbergen. »Was war das für ein Aufwand, die alte Verbindung zu finden! Jahrtausende hat sie überdauert, zahllosen Beben getrotzt, und dann bricht ausgerechnet über ihr ein Küstenstreifen ab! Warum?«
    »Er war unterspült«, sagte Skorm’aks Adjutant mürrisch. Seine Schuppenhaut war dunkelblau, und ihm fehlte ein Auge. Er hatte die leere Höhle mit einer Muschelschale abgedeckt.
    »Ach! Das meinte ich nicht!« Ungeduldig winkte der Vorsitzende ab. »Ich frage mich vielmehr…« Skorm’ak hielt inne. Seine finstere Miene entspannte sich, wurde sanft. Beinahe traurig. Eine Weile saß er da, in sich gekehrt, und hing seinen Gedanken nach. Niemand wagte zu sprechen.
    Unheimlich sah sie aus, die Heilige Grotte der Geistwanderer. Da war eine zentral erbaute, halbrunde Versammlungsbank aus dunklem Lavagestein. Sie erinnerte an einen Richtertisch: Man musste aufsehen, um Blickkontakt zu den zwölf Quan’rill herzustellen, und man war von ihnen umringt. Wie ein armes Sünderlein. So hatte sich Quart’ol gefühlt, als er seinerzeit vor den Geheimbund zitiert und befragt worden war. [4] Über seinen Menschenfreund Matt und dessen Reise zum Mars. Über all die Geheimnisse aus hydritischer Vergangenheit, die der Commander mitgebracht hatte. Und über die vergessene Stadt am Grund des Marianengrabens, die er besucht hatte – im Auftrag des Bundes, ohne dies zu wissen. Da man restlos alles erfahren wollte, hatte Skorm’ak sogar eine Geistverschmelzung Quart’ols mit dem Klon zugelassen, in den er eigentlich erst Umläufe später schlüpfen wollte. In dieser seelenlosen Hülle hatte Quart’ol seine Erinnerungen deponiert – die dann zu Skorm’aks Erinnerungen geworden waren, als er seinen alten, verbrauchten Körper aufgab und in den jugendlichen Klon wechselte. [5]
    Ein Ruck ging durch die Versammlung, als Skorm’ak plötzlich weiter sprach. »Es heißt, er wäre auf unseren Planeten gekommen«, sagte er.
    Einauge stutzte, überrascht vom plötzlichen Themenwechsel. »Wer?«
    »Gilam’esh.«
    »Unsinn.« Der einäugige Hydrit winkte ab. »Gilam’esh ist eine Legende. Er ist genauso Vergangenheit wie dieser renitente Quart’ol! Dass beide nicht mehr existieren, gereicht uns nur zum Vorteil.«
    Man hatte lange daran gezweifelt, dass Quart’ol wirklich ums Leben gekommen war, nachdem er auf die Forschungsstation Ahipara verbannt wurde. Eigentlich hatte der Bund sein Todesurteil über Quart’ol schon gesprochen, aber als Skorm’ak seine Erinnerungen mit ihm teilte, erkannte er die Lauterkeit des hydritischen Wissenschaftlers und wandelte die Hinrichtung in eine Verbannung auf Zeit um – bis das hydritische Volk so weit wäre, die Wahrheit zu verkraften. In der abgelegenen Station hätte Quart’ol mit seinem Wissen über Gilam’esh’gad, den Mars und die Anfänge der Hydriten »keinen Schaden anrichten« können.
    Baq’al, eine uralte Hydritin aus dem Geheimbund, sollte ihn überwachen. In der Tarnung eines jungen Klonkörpers hielt sie Kontakt mit dem Bund, um jede von Quart’ols Aktivitäten zu melden. Doch nur kurze Zeit später blieben ihre regelmäßigen Berichte aus. Man stellte Nachforschungen an und entdeckte auf Ahipara einen verbeulten Brustpanzer, bewacht von einem mörderischen Oktopus.

Weitere Kostenlose Bücher