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230 - Gilam'esh'gad

230 - Gilam'esh'gad

Titel: 230 - Gilam'esh'gad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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waren rachsüchtig. Das wusste Agat’ol, und er trainierte Korr’ak darauf, den Menschenmann anzugreifen. Er vertraute darauf, dass der Krake das vollbrachte, wozu er selbst nicht den Mut aufbrachte. Es fehlte noch, dass sich auch der Oberflächenkriecher auf die Suche nach der vergessenen hydritischen Waffe machte.
    Vor allem, weil diese Tiefseeschnecke von Rettungsboot lange nicht so schnell voran kam wie gedacht. Kurz nach der Flucht aus Gilam’esh’gad hatten die Probleme begonnen, und seitdem ruckelte Agat’ols Gefährt mehr schlecht als recht durch die Tiefsee. Jetzt, nach dem Kurzschluss in der Bionetik, war es ganz zum Stillstand gekommen. Reglos hing das Boot im Wasser. Der fehlende Schub trieb den Quallenschirm aus der Horizontalen. Langsam genug, um Agat’ol noch einen Blick durchs Bugfenster zu gestatten, ehe die milchige Außenhaut alles verdeckte, was sich vor dem Boot befand.
    Zum Beispiel das heran schießende Ungeheuer.
    Agat’ol stieß einen Schreckensschrei aus, als er erkannte, was da bildfüllend am Bugfenster vorbeizog: Saurierhaut! Meter um Meter bewegten sich aufwärts, es nahm gar kein Ende!
    Dann verschwand die Bestie. Aber nicht etwa, weil sie abgetaucht war, nein. Agat’ol sah sie nur deshalb nicht mehr, weil sein antriebsloses Rettungsboot noch immer aus der Horizontallage hoch driftete. Mit dem Quallenschirm stieg auch das Bugfenster nach oben.
    »Verflucht!« Agat’ol glitt im gefluteten Cockpit nach vorn und presste sein Gesicht an die Bionetikscheibe. Ohne Erfolg. Lichtlose Schwärze, mehr war da draußen nicht zu sehen.
    Der Hydrit spürte ein unangenehmes Kribbeln unter der Bauchdecke. Wenn die Bestie sich entschließen sollte, anzugreifen, war er ihr hilflos ausgeliefert! Er konnte ja nicht einmal sehen, aus welcher Richtung sie kam – geschweige denn wann! Agat’ol musste das Rettungsboot reaktivieren, und zwar schnell! Während er fieberhaft daran arbeitete, dachte er nach.
    Woher kam dieser Saurier? Aus Gilam’esh’gad, klar; Agat’ol hatte den Ausbruch der Bestien ja seinerzeit miterlebt. Doch er hatte auch ihre Kadaver gesehen, oben auf dem Felsendach und am Meeresboden ringsum. Die urzeitlichen Kreaturen waren aus ihrem Bestiarium in eine Welt entflohen, in die sie nicht mehr gehörten. Dort gab es für sie keine Überlebenschancen.
    Wo also kam dieser Saurier her? Die Frage wurde bedeutungslos, als der Quallenantrieb startete. Das bionetische Wesen sank zurück in Fahrposition, Energie floss in die Bugscheinwerfer und ließ sie aufleuchten. Agat’ol warf einen Blick aus dem Fenster.
    Zwanzig, dreißig Meter unterhalb der Rettungsqualle zogen riesige Bartrochen dahin; in langer Reihe, eine ganze Schule. Agat’ol konnte die harmlosen Planktonfresser gut erkennen, denn ihre Schuppenhaut war weiß und von biolumineszenten Punkten übersät. Sie verursachten das reinste Feuerwerk, so erregt waren die Tiere. Der Grund dafür kam aus der Tiefe.
    Agat’ol schrak zurück, als er den Saurier hochschießen sah. Unter dem letzten Rochen öffnete sich ein Maul, das nicht aufhören wollte zu wachsen. Zwei, drei Sekunden lang war das Opfer von einem Kranz aus armlangen Reißzähnen umgeben. Dann schnappte die Bestie zu. Der Rochen wurde regelrecht zusammengefaltet. Bis auf ein paar Hautfetzen mit erlöschenden Punkten und einer flappenden Schwinge blieb nichts zurück.
    Agat’ol schaltete die Energiezufuhr auf volle Leistung. Weg hier! Bloß weg!
    Dasselbe dachten wohl auch die Rochen. Im Zickzack spritzten sie auseinander.
    Blut und Körperteile schwebten im Wasser, als der Saurier Beute schlug. Es war erstaunlich, wie elegant die gewaltige Bestie dabei um sich selbst flankte. Kopf voran in die Tiefe, Schwung holen beim Auftauchen, zubeißen. Unermüdlich, wie eine Maschine.
    Für Agat’ol war der Rochenschwarm die Rettung. Die Rettungsqualle entfernte sich immer weiter von der aufwallenden Blutwolke, in der der Saurier wütete und fraß, bis er gesättigt war. Doch es dauerte Tage voller Sorge, wenig Schlaf und ständigem Spähen zurück, bis sich der Mar’os-Anhänger sicher war, dass die Bestie ihm nicht folgte.
    Er sollte sich irren…
    ***
    Nordpazifischer Ozean, südlich der Midway-Inseln
    Mitte Oktober 2524
    An einem lauen Spätsommerabend segelte ein Handelsschiff übers Meer, Kurs Ost. Die Baq Wan hatte Gewürze und eine Ladung junger Piigs an Bord. Quiekend zerwühlten sie das Stroh im Frachtraum. Die rosigen Ferkel wirkten entspannt. Sie konnten ja nicht

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