2309 - Die Augen von Charon
zusätzliches Wissen behielt ich für mich.
Perry und ich hatten beschlossen, dass ich persönlich die Leitung der Untersuchung der Wolke übernahm - unter Wahrung der höchsten Geheimhaltungsstufe. Am liebsten hätte ich schon vor zehn, zwölf Jahren damit angefangen, doch damals war unsere Technik noch nicht ausgereift genug gewesen. Erst jetzt waren wir wieder so weit, dass wir uns ins Zentrum der Milchstraße wagen konnten. „Auch keinem unserer Forschungsschiffe ist es bisher gelungen, das Innere der Wolke ortungstechnisch zu erfassen", gab ich bekannt. „Charon scheint seine Geheimnisse vorerst zu behalten."
„Wir werden nicht aufgeben", versicherte der arkonidische Chefwissenschaftler Dalak Keloon. „Auch nach diversen Jahren fruchtloser Beobachtung sehe ich den Einsatz von Forschungsschiffen als Erfolg versprechend an. In der Milchstraße macht die Technologie nach dem Hyperimpedanz-Schock nach wie vor Fortschritte, und jede Seite kann immer wieder einmal mit Neuerungen aufwarten, die dann auch in der Zentrumsregion ausprobiert werden."
Das war noch immer nur das Vorgeplänkel. Die eigentliche Arbeit würde beginnen, sobald die beiden Chef wissenschaftler uns zum Austausch weiterer Höflichkeiten allein ließen, die Nasen zusammensteckten und sich konkreten Ergebnissen widmeten. Mit diesem unverbindlichen Austausch von Worthülsen sicherte Skorgon Solten sich lediglich ab.
Sollte eins seiner reichstreuen Besatzungsmitglieder dem Geheimdienst von den zahlreichen Rendezvous mit terranischen Schiffen berichten, konnte der Vere'athor sich auf reine Höflichkeitsbesuche herausreden oder behaupten, versucht zu haben, den abtrünnigen Kristallprinzen zum Wohl des Kristallreichs auszuhorchen. Zweifellos trug er miniaturisierte Aufnahmegeräte an seinem Körper, mit denen er seine Aussage würde beweisen können. „Gibt es Neues über die Charon-Schranke?", fragte ich.
Das war eins der seltsamsten Phänomene, auf die wir bei der Untersuchung der Wolke gestoßen waren. Die so genannte Charon-Schranke war eine langsam wabernde Grenzzone, jenseits deren der normale Zustand des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums zu etwas anderem wechselte. „Die Messwerte, die wir von jenseits der Charon-Schranke erhalten, sind noch immer absolut widersprüchlich und kaum zu interpretieren", verneinte Keloon. „Wir messen permanent aus kleinsten Teilbereichen der Wolke unterschiedliche Strangeness-Werte, oft nur für kleinste Bruchteile von Sekunden."
„Wobei der Wert der kosmischen Hintergrundstrahlung, den wir aus der Charon-Wolke empfangen, einmal in kleinsten Ausschnitten den Werten eines sterbenden Universums wie zum Beispiel Tarkan entspricht..."
„Und dann wiederum messen wir Werte an, die denen eines stark expandierten Universums entsprechen ... also das genaue Gegenteil!" Keloon schüttelte den Kopf. „Aber auch das ist nur eine Momentaufnahme ..." Ich entschloss mich, Skorgon Soltens Aufzeichnungsgeräten zuliebe noch ein paar Brocken fallen zu lassen, die er gegebenenfalls bei einer Geheimdienstuntersuchung vorlegen konnte. Aber wahrscheinlich würden die Arkoniden das sowieso schon selbst herausgefunden haben. „Permanent veränderliche Messwerte zeigen, dass die energetischen und hyperenergetischen Zustände jenseits der Charon-Schranke genauso schwanken wie die Helligkeitswerte in dem Strukturgestöber. Kann es sein, dass hier Dimensionen und energetische Zustände wie in einem gigantischen Strudel vermischt werden?"
Ich merkte, dass Major Delazar allmählich ungeduldig wurde, und kam zum Schluss, dass wir das Katzund-Maus-Spiel weit genug getrieben hatten. Auf mein Zeichen wurde K'amana gereicht, ein kaffeeähnliches arkonidisches Getränk von dunkelbrauner, fast schwarzer Farbe. Während Solten und ich an dem heißen Gebräu nippten, zogen sich die beiden Chefwissenschaftler zurück, um endlich relevante Daten austauschen zu können.
Ich hingegen plauderte noch eine Weile mit dem Vere'athor, war mit den Gedanken jedoch nicht bei der Sache. Ich wusste einige Dinge definitiv besser als die Arkoniden, dank Gon-Orbhons Daten, die ich Solten nicht verraten würde.
Ich war geradezu erleichtert, als die beiden Chefwissenschaftler zu uns zurückkehrten und die inoffizielle arkonidische Delegation kurz darauf die VERACRUZ verließ, um zurück zu ihrem kleinen Konvoi zu fliegen.
4.
3. April 1344 NGZ
Bericht Atlan: K'amana mit der Kommandantin „Atlan, das solltest du dir mal ansehen!"
Ich
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