2309 - Die Augen von Charon
wäre ich jetzt hier. Ich oder ein anderer von uns. Dir ist der Grund dafür klar, oder?"
Fragend sah sie mich an. Doch, sie wusste, wen ich mit „uns" meinte. Sie hatte sich entschlossen, einfach abzuwarten, was ich zu sagen hatte. „Die Superintelligenz ES hat zahlreiche Sternhaufen in Hyperkokons eingesponnen, die sich ab 1331 aufgelöst und ihren Inhalt wieder in den Normalraum entlassen haben", erklärte ich. „Ob es nun Jamondi oder Arphonie ist, die Dashkon-Sternwolke bei Thantur-Lok oder die Jykarila-Ballung, der Peldron-Nebel oder die Twahyl-Faust ... diese Sternenballungen präsentieren sich einigermaßen normal und zugänglich. Nur die Charon-Wolke taucht hier im galaktischen Zentrum wie ein knisternder Eisberg auf. Dieses Phänomen lässt unseren Erfahrungen zufolge auf schwere dimensionale Verwerfungen schließen, war aber offensichtlich schon vor Jahrmillionen so gegeben, wenn ich den Schutzherrenbericht zugrunde lege. Glaubst du wirklich, keiner von uns hätte wenigstens mal nachgesehen, was hier los ist, auch wenn die Schutzherren nichts gesagt hätten? Die Wolke ist ein gigantisches Rätsel, und solche Rätsel wollen aufgeklärt werden. Ganz einfach, weil sie da sind!"
Die Kommandantin nickte. „Ich verstehe. Aber eins verstehe ich nicht. Warum hat Gon-Orbhon nicht die Karten auf den Tisch gelegt? Warum hat er dir nicht offenbart, was es mit der Charon-Wolke auf sich hat?"
„Vor dem Aufbruch zum Ahandaba ist es den Schutzherren nicht gelungen, mit den vielleicht noch lebenden Bewohnern der Wolke Kontakt aufzunehmen. Sie hatten keinerlei Informationen darüber, wie es heutzutage in Charon aussieht, und konnten uns nicht sagen, was nach Jahrtausenden der Abgeschiedenheit mit den Bewohnern und dem Sternhaufen passiert ist."
„Das ist mir schon klar, aber ..."
„Außerdem hat er ja einiges gesagt. Die Charon-Wolke enthält achtundzwanzig Sonnen, davon verfügen neun über Planetensysteme. Hinzu kommen die acht ehemaligen Spendersonnen des Sonnenwürfels. Und sämtliche Sonnen der Wolke sollen starke Hyperstrahler sein. Im Zentrum von Charon lag das Goldene System der Charonii, und die Schutzherren haben damals ein Netz von Satelliten errichtet. Das ist doch schon etwas, oder? Aber all diese Daten nützen uns nicht viel, solange wir nicht einmal vernünftige Ortungsergebnisse bekommen."
Ich musste mir eingestehen, dass ich ziemlich frustriert war. Noch nie hatte ich mich in solch einer Lage befunden: Wir wollten einen Sternhaufen erkunden, von dem ich so ungefähr wusste, was sich darin befand, konnten aber weder hineinsehen noch in ihn eindringen.
Solch eine absurde Situation hatte ich selten erlebt.
Kommandantin Saronn spürte, dass ich noch nicht fertig war, und schwieg. „Außerdem lassen die wenigen Daten, die wir haben, ja einige Rückschlüsse zu. Bei vierundzwanzig Lichtjahren Durchmesser weist die Charon-Wolke für den Zentrumsbereich der Milchstraße mit achtundzwanzig Sonnen eine eher geringe Dichte auf. Die Ursache dafür dürfte sehr interessant sein, findest du nicht? Und neun der Sonnen hatten zu den Zeiten der Schutzherren Planetensysteme, von denen sieben bewohnt waren. Die Hauptwelt der Charonii war damals Ijordan, der zweite Planet der Sonne Ijor."
Ich verstummte. Meine Gedanken schweiften kurz ab.
Die Kommandantin runzelte die Stirn. „Das ist ja alles gut und schön. Aber wie ich es sehe, haben die Schutzherren dir ein paar Brocken ihres Wissens hingeworfen und dann die Milchstraße verlassen. Sie haben dir aber keineswegs alles gesagt, was sie wissen. Die wichtigsten Fragen blieben unbeantwortet. Nach dem Salkrit beispielsweise."
Ich lächelte. „In gewisser Weise kann ich die Schutzherren verstehen. Sie haben die Entscheidung, ob die Charonii Kontakt mit uns aufnehmen wollen oder nicht, bewusst ihnen überlassenfalls es überhaupt noch welche von ihnen gibt. Wenn sie sich zeigen wollen, werden sie das tun. Und wenn sie uns etwas über ihre Heimat erzählen wollen, können sie diese Entscheidung selbst treffen - sie und nicht die Schutzherren. So erkläre ich mir die Tatsache, dass eben diese Fragen unbeantwortet bleiben. Das ist bitter für uns, aber in gewisser Weise nachvollziehbar."
„Wenn du es so siehst..."
„Ich muss es so sehen. So ist der Stand der Dinge, und vielleicht liegt es auch an der Biografie Gon-Orbhons: Er war mitverantwortlich für eine schreckliche Unterdrückung der Völker der Sternenozeane, und nun will er verhindern, dass den Charonii
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