2311 - Die Explosive Kraft
dorthin zu gehen, wo ich für jeden Furz Luftgebühr berappe?"
Nach dem Löschen der Ladung bat Kempo zu einer Besprechung. Da sie bislang von Stürmen verschont worden waren und zuletzt viele Flüge in Rekordzeit bewältigt hatten, verfügten die „Doryner" über ein beträchtliches Unterstunden-Guthaben.
Sheerdurn ahnte, wofür der Bengel dieses verwenden wollte.
*
„Ich möchte", eröffnete Kempo seiner Mannschaft, „von hier aus nicht auf schnellstem Weg zurück nach Dubox fliegen, sondern zuvor den Grenzbereich der Weltenwolke erkunden."
Einige nickten; sie hatten ebenso wie Sheerdurn mit einem solchen Ansinnen gerechnet und befürworteten es. Andere äußerten Skepsis. Zu ihrer Wortführerin machte sich Palankan, die Bordärztin. „Nicht, dass ich von vornherein dagegen wäre", sagte sie. „Aber was soll das bringen? In der Randzone befindet sich nichts."
„Eine Behauptung, die seit Ewigkeiten keiner überprüft hat."
„Stimmt. Allerdings wurde auch das Rad schon länger nicht mehr neu erfunden." Sie lachten. „Suchen wir nach etwas Bestimmtem?", fragte Zbirk, der Logistiker.
Kempo verneinte.
Palankan krauste die Nase. „In einer von Gestöber erfüllten Kugel mit vierundzwanzig Lichtjahren Durchmesser kann man sein ganzes Leben lang nach irgendwas Ausschau halten und wird doch nichts entdecken."
„Schon richtig", gab der Kapitän zu. „Ganz ehrlich, ich kann die Frage nach dem Sinn der Expedition nicht schlüssig beantworten. Doch mich treibt eine innere Unruhe; ich habe das nicht weiter präzisierbare Gefühl, dass sich da draußen etwas zusammenbraut."
„Draußen?" Palankan hob die buschigen Augenbrauen. „Planst du etwa ...?"
Kempo lächelte schelmisch. „Darüber reden wir, wenn wir vor Ort sind, einverstanden?"
*
Je näher sie dem Rand der Wolke kamen, desto leichter fiel ihnen das Manövrieren. Die DORYNA erzielte eine höhere Spitzengeschwindigkeit, und der Pilotensinn reichte um einiges weiter. Anders als im Inneren, wo das Strukturgestöber deutlich dichter und heftiger war, konnten sie hier sogar funken und orten, wenngleich in sehr geringem Umfang.
Dennoch fanden sie, wie erwartet, nichts. „Was meint ihr", wandte sich Kempo an die Crew: „Sollen wir bis zur absoluten Grenze vorstoßen? Direkt an die Charon-Schranke, zum Ende der Welt?"
„Und dann? Darüber hinaus? – Tu nicht so, als hätte das nicht von Anfang an in deiner Absicht gelegen", tadelte Palankan. „Karten auf den Tisch!", forderte Zbirk. „Du willst die Weltenwolke verlassen."
„Ist das so schlimm? Zwölftausend Jahre lang hat der Hyperkokon unser Volk eingeschlossen. Doch diese Barriere besteht nicht mehr. Bloß noch in unseren Köpfen."
Eine lebhafte Debatte entbrannte, an der sich nur Auhara nicht beteiligte, da sie das Strukturauge stabilisierte. Aber dass sie Kempo unterstützen würde, stand ohnehin fest.
Die Diskutierenden zu beobachten war für Sheerdurn hochinteressant und sehr aufschlussreich. Sämtliche Besatzungsmitglieder hätten sich selbst ohne Zögern als „fortschrittlich" bezeichnet. Niemand hing der im Heimatsystem weit verbreiteten, fast religiösen Überzeugung an, es gäbe gar kein Außerhalb.
Und doch ...
Sheerdurn spürte, wie sehr sie davor zurückschreckten, die Probe aufs Exempel zu machen. Zu tief saß der Glaube daran, die Welt bestünde nur aus der Charon-Wolke, ihren neun bekannten Sonnensystemen und den neunzehn allein stehenden Sternen. Intellektuell mochten sie diese törichte Beschränktheit ablehnen. Jenseits der Charon Schranke war das Universum nicht zu Ende, vielmehr begann es dort erst. Kempos Argumente, die er mit historischen Dokumenten aus Sheerdurns Sammlung belegte, leuchteten allen ein.
Aber der Bauch spielte nicht mit. Die Selbstzufriedenheit der Charonii war ihnen in die Wiege gelegt worden, zusammen mit der Furcht vor Neuem, Ungewohntem, Unbekanntem. Zwar machten sie sich gern über die Bauern auf Bocyn lustig, die ebensolche Scheuklappen trugen wie ihre Reittiere; von den Jileenos oder gar den Erenesae ganz zu schweigen. Doch jetzt, da sie unmittelbar vor dem entscheidenden Schritt hinaus standen, kramten sie die fadenscheinigsten Einwände hervor. „Es wird schon seinen Grund haben, dass in mehr als einem Jahrzehnt seit Erlöschen des Kokons keine einzige Dolbe auch nur den Versuch unternommen hat ..."
„Sollten wir nicht lieber zuerst die Erlaubnis des Rats einholen ..."
„Woher wissen wir, ob die DORYNA draußen
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