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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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    »Ja, es ist interessant hier«, antwortete Swan. »Und als Nächstes nimmt Wahram mich in die Ringe mit.«
    Sie folgte ihnen zu dem Esstisch in der Mitte des Raumes, und Wahram stellte sie noch einigen Leuten vor, deren Namen sie gleich wieder vergaß. Sie winkten oder nickten und redeten sonst nicht viel. Schließlich plauderten sie ein bisschen mit ihr, bevor sie sich wieder ihren Unterhaltungen zuwandten und Wahram und seine Besucherin sich selbst überließen. Kleine rote Flecken waren auf Wahrams Wangen getreten, doch auch er wirkte erfreut und verabschiedete sich locker von den Hortgefährten, an denen sie auf dem Weg nach draußen vorbeikamen. Vielleicht war das ja das, was man sich auf Saturn unter einer wilden Party vorstellte, dachte Swan.
    Bald darauf nahmen sie ein Shuttle nach Prometheus, dem inneren Schäfermond des F-Rings. Die Wechselwirkung der Gravitationskräfte von Prometheus und Pandora, dem äußeren Schäfermond, verwoben die Milliarden Eisbrocken des F-Rings zu komplexen Schlingen, die ganz anders aussahen als die glatten Bänder der größeren Ringe. Im Endeffekt verquirlten die beiden Schäfermonde den Ring mit ihren Gezeiten und machten dabei einiges an Wellen. Und wo es Wellen gab, gab es Surfer.
    Prometheus erwies sich als Kartoffelmond von 120 Kilometern Länge. Sein größter Krater, eine Delle an dem Ende, das dem F-Ring am nächsten war, war mit einer Kuppel überdacht, und unmittelbar innerhalb des Kraterrands befand sich eine Forschungsstation.
    Im Innern der Kuppel wurden sie von einer Gruppe Ringsurfer begrüßt, die ihnen stolz die hiesige Welle beschrieben. Prometheus erreichte seine Apoapsis, also den Punkt, an dem er sich am weitesten vom Saturn entfernt befand, alle 14,7 Stunden, und dabei streifte er jedes Mal beinahe die wogende Wand aus Eisbrocken, bei der es sich um die Innenseite des F-Rings handelte. Prometheus bewegte sich schneller in seiner Umlaufbahn als die Eisbrocken in ihrer, weshalb er im Vorbeifliegen eine Girlande hinter sich herzog; ein Gravitationseffekt, den man als Kepler-Scherung bezeichnete. Der Bogen aus mitgezogenen Eisbrocken bildete sich immer in der gleichen Entfernung hinter Prometheus, so vorhersagbar wie das Kielwasser eines Boots. Bei jeder Apoapsis bildete sich diese Welle 3,2 Grad weiter vorne als die vorangegangene, weshalb man berechnen konnte, wo und wann man abspringen musste, um sie zu erwischen.
    »Eine Welle alle fünfzehn Stunden?«, fragte Swan.
    Das genügte, versicherten ihr die Einheimischen verwegen grinsend. Mehr als eine Welle würde sie nicht brauchen. Man ritt sie für Stunden.
    »Stunden?«, fragte Swan.
    Mehr irres Gegrinse. Swan drehte sich zu Wahram, konnte sich jedoch wie immer keinen Reim auf seine versteinerte Miene machen.
    »Kommst du mit raus?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Hast du das schon mal gemacht?«
    »Nein.«
    Sie lachte. »Gut. Los geht’s.«
    Mathematisch ließen sich die Ringe als Flüssigkeit beschreiben, und aus einer gewissen Entfernung sahen sie mit ihren schmalen, konzentrischen Wellen auch so aus. Aus der Nähe erkannte man allerdings, dass der F-Ring wie auch die anderen aus Eisbrocken und Staubteilchen bestand, die in Bändern angeordnet waren, welche sich um Einzelkörper herum verdichteten oder ausdünnten und alle mit fast derselben Geschwindigkeit flogen. Gravitation: Hier sah man ihre Auswirkungen unverfälscht, ungestört von Wind oder Sonnenstrahlung oder anderen Einflüssen – es gab nur die Anziehungskraft des sich drehenden Saturn und einige kleine rivalisierende Zugkräfte, die alle zusammen dieses spezielle Muster bildeten.
    Prometheus war ein perfekter Startpunkt für die Surfer, und diejenigen, die sich mit Swan und Wahram auf den Weg machten, wiesen sie darauf hin, dass sich erfahrene Veteranen vor und hinter ihnen befinden würden, wenn man sie in die Welle hinausschoss, um sie im Auge zu behalten und falls nötig Hilfestellung zu leisten. Sie gaben ihnen Tipps darüber, wie man die Welle am besten erwischte, aber Swan nickte bloß höflich und vergaß die Ratschläge gleich wieder: Surfen war Surfen. Man musste den Wellenkamm mit der richtigen Geschwindigkeit erwischen, und los ging’s.
    Dann waren sie alle angezogen und flogen aus einer Luftschleuse. Die weiße, aufgewühlte Wand des F-Rings war direkt neben ihnen: Dort, wo das Geröll dichter war, wirkten die Girlanden knotig, doch insgesamt war die Fläche ausgesprochen eben und maß in der Ebene zum

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