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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Saturn von Norden nach Süden nur zehn Meter. Bei diesen zehn Metern handelte es sich nicht um die Höhe der Welle, sondern um ihre Breite – was bedeutete, dass man an jeder Stelle aus dem Eis auftauchen und sich abholen lassen konnte, wenn man in Schwierigkeiten geriet. Die meisten Wellen, die Swan bisher geritten hatte, waren anders beschaffen gewesen, und die Vorstellung beruhigte sie.
    Sie flogen immer dichter an die weiße Wand heran, bis Swan deutlich einzelne Eisbrocken ausmachen konnte, deren Größe und Form irgendwo zwischen der von Sandkörnern und der von Koffern lag, wobei hier und da auch mal ein Eismöbelstück – ein Schreibtisch oder Sarg – zwischen ihnen umhertrieb. Einmal sah sie eine kurzzeitige Zusammenballung, die etwa so groß wie ein kleines Haus war, jedoch vor ihren Augen auseinanderfiel. Und nun löste sich gerade eine weiße Schleife aus der Wand und flog auf den Saturn zu, der sich unter ihnen zwar gewaltig blähte, aber von keinerlei Interesse war.
    Swan probierte ihre Düsen auf dem Weg zur Welle aus. Wie eine Klarinettenspielerin betätigte sie sie mit den Fingern und glitt in einem kleinen, selbst ausgedachten Schwebetanz dahin. Raumanzüge waren so ziemlich überall gleich. Sie konzentrierte sich auf die herannahende Woge, die wie Hiroshiges Welle über ihr aufragte. Sie war etwa zehn Kilometer hoch und schwoll schnell an. Sie musste sich drehen und mit dem Strom beschleunigen, aber nicht so schnell, dass sie der Woge davonflog. Das war der schwierige Teil …
    Dann war sie mitten in dem weißen Zeug und wurde von kleinen Bruchstücken getroffen. Sie gab ein bisschen Düsenschub, um ihren Kopf ins Freie zu bekommen, als surfte sie flach auf der Gischt eines brechenden, salzigen Wellenkamms, aber das Zeug um sie herum war grobkörnig, und sie spürte, dass es die kleinen Treffer kleiner Brocken waren, die sie vorantrieben, und nicht eine Wassermasse. Dann hatte sie ihre Geschwindigkeit an die der Welle angepasst und gelangte mit dem Kopf an die Oberfläche, sodass sie sich umsehen konnte – es war tatsächlich ganz ähnlich, wie wenn man flach auf einer Meereswelle surfte, und unwillkürlich musste sie lachen und laut rufen: Sie flog auf einer Eiswelle von zehn Kilometern Höhe. Der Anblick brachte sie zum Jauchzen. Durch den offenen Kanal hörte sie das vielstimmige, wilde Geschrei der anderen Surfer.
    Die Welle war eigentlich eher eine Scheibe, gerade mal so breit wie ein Zimmer, und manchmal kam sie Swan nur wenig dicker vor als ihr eigener Leib – eine zweidimensionale Welle sozusagen, sodass man wohl durch einen einzigen Treffer von der Seite oder eine kleine Düsenabweichung wieder aus ihr hinausschießen würde. Deshalb konnte sie nicht völlig in das weiße Zeug eintauchen wie ein Delfin. Vielleicht machten das einige der anderen Wellenreiter, aber Swan fürchtete, dort drin die Orientierung zu verlieren. Außerdem wollte sie ja etwas sehen!
    Sie spürte, wie die Welle sie hochhob und mit sich riss. Es hatte nicht nur damit zu tun, dass sie von Eisbrocken getroffen wurde, auch die Gravitation zog sie mit. Die Eistreffer fühlten sich an, als würde man mit einem Regen von Kieselsteinen beworfen, der einen mit geballter Kraft nach vorne trieb. Vielleicht konnte man diesen Teilchenstrom auch auf einem großen Surfbrett reiten und mit den Füßen lenken; tatsächlich sah sie weiter unten jemanden auf einer Art schmalem Boot stehen, der auf eben diese Art unterwegs war. Doch die meisten anderen legten sich zum Surfen mit dem ganzen Körper in die Welle, wie sie es tat, wahrscheinlich, weil man für die besten Manöver die Anzugdüsen brauchte. Es war Swan ohnehin immer lieber gewesen, mit dem ganzen Körper zu surfen anstatt auf einem Surfbrett. Selbst das fliegende Objekt zu sein, sich in den Raum hinauszuwerfen, den man atmet, und gleichzeitig bewegungslos und mit hoher Geschwindigkeit zu fliegen, vorwärts katapultiert …
    Die Welle erreichte ihren Höhepunkt, und Swan wurde schneller vorangetrieben als je zuvor. Die meisten Brocken waren tennisball- bis basketballgroß, und wenn sie mit ihren Düsen auftauchte, bis sich nur noch ihre Füße im Strom befanden, dann konnte sie auf einen der größeren Brocken aufspringen und sich mit kleinen Schüben vorwärts und auswärts bewegen. Die Welle stieg noch immer weiter an, aber nun glich sie dem Kielwasser eines Boots – der untere Teil der Welle traf auf keinen Boden, sodass der obere vorwärts gerollt und gebrochen

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