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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Durcheinander der Landschaft, durchaus wahrscheinlich.
    Es zeigte sich allerdings, dass die Ballons hervorragend funktionierten: Swan und ihre Teamkameraden entdeckten keine Notfälle. Stattdessen waren die Tiere in Bewegung; manche rannten wie wild umher. Doch schon bald ermüdeten sie in ihrer Panik, hielten an und blickten sich um. Die Landschaft, die sie sahen, war hoffentlich nicht allzu unvertraut. Die meisten Terrarien hatte man in Hinblick auf genau diesen Augenblick auf 1 g eingestellt und so gestaltet, dass sie den Orten ähnelten, an die die Tiere nun heimkehrten.
    Die großen Karibus hatten keine Schwierigkeiten zueinanderzufinden. Die kleinen Tiere verbargen sich im Weizen und machten sich auf den Weg zu den Hügeln im Westen oder zu den kleinen Bäumen des Nadelwalds, die am südlichen Horizont zu sehen waren. Keines der Geschöpfe schien Hilfe zu brauchen. Alle waren auf festem Boden und stellten sich ihrem neuen Schicksal.
    Die Tiere waren einzeln markiert, sodass sie auf den Bildschirmen als Muster von bunten Punkten erschienen. Swans Team wandte sich dem nächsten Teil ihres Plans zu, der darin bestand, den Karibus zu folgen und sie notfalls vor sich her zu treiben wie Schäferhunde Vieh, bis sie ans Ostufer des Thelon River gelangten. Diese erste Wanderung der neu gebildeten Herde würde instinktiv, aber ohne Vorgaben vonstattengehen – es sei denn, sie trafen auf alte Spuren der verlorenen Herden von Beverly, Bathurst und Ahiak. Doch auf ihrem Weg würden sie Duftspuren und andere Markierungen für künftige Wanderrouten hinterlassen. Dadurch würde ihr Weg de facto zu einem Habitatkorridor durch das neue Weizengebiet werden, einem Korridor, den sie möglicherweise vor den zuständigen Gerichten verteidigen mussten, aber darum würden sie sich kümmern, wenn es so weit war. Zunächst mussten die Karibus über den Fluss gelangen. Dass sie die Tiere bei ihren Wanderungsbewegungen über wirtschaftlich genutzte Ländereien leiteten, war der größte Akt zivilen Ungehorsams, den Raumer jemals auf der Erde begangen hatten, aber sie hofften, dass die Tiere den Weg beim nächsten Versuch alleine bewältigen würden, und dass die Einheimischen sie ins Herz schließen würden – selbst die Bauern, die hier ohnehin keine besonders großen Erfolge mit ihrer Arbeit erzielten. Die Eskorten würden vielleicht festgenommen werden, bevor sie mit ihrer Arbeit fertig waren, aber die Leute erkannten hoffentlich schnell, dass die Habitatkorridore das Land, das sie in Anspruch nahmen, wert waren.
    Wie meistens, wenn sie mit einer Gruppe von Menschen unterwegs war, fiel Swan bald zurück. Es gab einfach zu viel zu sehen; die Dinge um sie herum waren so interessant, dass sie ihre eigentliche Aufgabe vergaß, sogar jetzt. Seit einem Jahrhundert forschte man an den Grundlagen für die Pläne, auf der Erde verloren gegangene Arten wieder auszuwildern, und obwohl sie jetzt hier war und Teil dieses Projekts, taumelte sie umher und betrachtete die Blumen, die hier und dort aus dem felsigen Untergrund schauten, kleine, erstaunlich bunte Samtkissen. Hoch über ihnen stand ein blassblauer Himmel mit einem Band von Kumuluswolken, die ostwärts jagten. Vor ihrem inneren Auge sah Swan noch immer Tiere, die wie Saatkörner in der Sonne herabrieselten. Der Anblick hatte sie in einen Traum gestürzt, aus dem sie noch nicht wieder erwacht war, weshalb sie natürlich nicht so schnell machen konnte. Sie stand ohnehin in Funkkontakt mit ihren Mitarbeitern. Tatsächlich war das Geplapper in ihren Ohren schlimmer als das von Pauline, weshalb sie den Ton ausdrehte. Sie würde reinhören, sobald die Notwendigkeit bestand. Fürs Erste wollte sie sich wieder auf den Boden unter ihren Füßen konzentrieren. Bei der Arbeit, die sie das Jahr zuvor in Afrika geleistet hatte, hatte sie begonnen, bestimmte Dinge für selbstverständlich zu erachten. Sie hatte schlicht und einfach vergessen, wo sie sich befand. Sie hatte sich tief in ihr Problem gestürzt, während die ganze Welt auf einem gewaltigen Wind durch den Himmel flog. Und jetzt dieses offene Land, diese Taiga. Ein paar vereinzelte Zwergkiefern auf der Südseite der nächsten Anhöhe. Ein trunkener Wald auf einem schmelzenden Permafrostboden. Im Osten, unter dem Wolkenband, seichte Hügel. Ein ungeheuer hoher Himmel, das Blau leicht pastellfarben über den tief hängenden Wolken, die noch immer ostwärts zogen. Die Luft schien ein wenig nach Feuer zu riechen. Hohe Nachmittagssonne, 5. August

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