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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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in ihr Geheul ein. Dann rannte sie, so schnell sie konnte, Richtung Osten. Sie lief zwischen den Reihen von Weizenhalmen hindurch, die ihr bis zur Brust gingen. Voraus im Osten führten ihre Kollegen eine Herde Karibus mithilfe von Duftmarken und abgeworfenen Geweihen. Dort, wo die Herde vorbeigekommen war, war der Weizen niedergetrampelt. Swan erkannte, dass sie dem seichten Bett eines Bachs folgten, der beinahe der Laserbegradigung des Bodens zum Opfer gefallen wäre. Das halb zugeschüttete Bachbett war noch immer schlammig, und ihre Teammitglieder führten die Herde aus diesem Bereich, indem sie sich parallel zu ihr Richtung Süden bewegten. Schon bald würde die Witterung der Wölfe sie erreichen, und dann würde es kein Problem sein, sie auf einem Kurs Richtung Osten zu halten, über eine niedrige Anhöhe nach der anderen. Sie würden dorthin gehen, wo sie am weitesten von den Wölfen entfernt waren, zumindest für eine Weile. Irgendwann würden die beiden Spezies zu einer Art Abkommen zwischen Jäger und Beute gelangen, aber derzeit waren die großen Beutetiere zweifellos noch verängstigt und geneigt, in Panik zu verfallen. Sie sah Spuren von einer kleinen Stampede. Inmitten des entsprechenden Bereichs lagen die zertrampelten Leiber mehrerer Kälber. Swan drehte sich zu den Wölfen um, die ihr nun folgten. Sie stand auf einer Anhöhe, den Wolfskopf über ihren eigenen gezogen, und heulte eine Warnung. Das Rudel hielt inne und schaute mit aufgestellten Ohren und gesträubtem Fell zu ihr auf – auch die Wölfe waren verängstigt. Ihr Blick war nun nicht mehr stet und eindringlich, fand Swan, sondern wirkte wie angestrengtes Spähen.
    Trotzdem waren sie nach wie vor auf der Jagd, weshalb sie ihren Weg schließlich fortsetzten. Swan gab den Weg frei, drehte ab und zog sich eilig zurück. Sie hatte den Karibus etwas mehr Zeit verschafft, um die kleine Senke zu durchqueren, und sie ging so schnell wie möglich aus der Bahn. Im Laufe der nächsten paar Stunden trieb sie die Wölfe dann und wann aus nördlicher Richtung an, aber meistens hielt sie nur mit Mühe und Not mit, und letztlich konnte sie nur noch ihren Spuren folgen. Lange Zeit stapfte sie hinter den Karibus her durch den Weizen. Einmal sah sie eine Reihe riesiger roter Erntemaschinen am südlichen Horizont.
    In jener Nacht waren die meisten Karibus weit voraus und hatten eine Herde gebildet, die ostwärts zog. Es trieb sie zum Wandern, zum Weiterziehen. Hinzu kamen die Wölfe und Menschen und anderen Raubtiere, die wie Treiber bei der Jagd waren. Die Menschen setzten manchmal Sirenen oder Gerüche ein und immer ihre persönliche, verstörende Gegenwart. Menschen standen ganz oben in der Nahrungskette, selbst wenn es Wölfe und Löwen und Bären gab – solange sie im Rudel blieben, wie die Wölfe es ihnen vor so langer Zeit beigebracht hatten –, und sie hatten ihre Werkzeuge bereit, falls es hart auf hart kommen würde.
    Swan, die am Ende eines sehr langen Tages dahintaumelte, spürte, wie der Geist der Jagd sie durchdrang und sie emporhob wie ein Leibhalter. Sie war Diana auf der Jagd. Das war es, was sie als Tiere taten. Swan hatte so oft in Terrarien gejagt, dass sie kaum glauben konnte, nun endlich draußen zu sein, doch dort über ihnen war der Himmel, und der Wind rauschte an ihr vorbei.
    Wenn sie die Karibu-Wanderroute fest etablieren und den gesamten Bereich zu einem Habitatkorridor machen wollten, dann mussten sie das Land selbst verändern, wie es schon zuvor verändert worden war. Einmal mehr wäre diese Veränderung Menschenwerk. Die gesamte Erde war inzwischen ein Park, ein Kunstwerk, von Künstlern geschaffen. Diese neue Änderung war nur ein weiterer Pinselstrich.
    Für die Verwandlung von Taiga in Ackerland hatte man die Anhöhen abrasieren und die Senken füllen und mithilfe genmanipulierter Bakterien das Wachstum neuen Erdbodens beschleunigen müssen. Dadurch war das Gelände nun ziemlich flach, wie eine Meeresoberfläche mit leichter Dünung. Doch durch den Tauwetterzyklus und die Permafrostschmelze war alles wieder unebener geworden. Der Zug der Karibus genügte, um das Erdreich aufzuwühlen; wo sie entlanggekommen waren, sah es aus, als wäre eine Front von Traktoren mit Dornenkugeln im Schlepptau durch den Weizen gerumpelt. Aus eben diesem Grund mied Swan die Spuren, mit Ausnahme kurzer Ausflüge in den Schlamm, bei denen sie Sender vergrub und das Erdreich mit Duftmarken und mit Herbiziden gegen Weizen versah. Gleichzeitig säten

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