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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Hinsicht an den Eisboden des Titan erinnerte. Wahram stellte die Stützfunktion seines Leibhalters stärker ein und versuchte, sich an die Nachgiebigkeit des durchweichten Untergrunds zu gewöhnen. Für eine Weile kam er sich vor wie in einem Waldo, während er über den halbgefrorenen Karibupfad lief, und angesichts seines Leibhalters war der Vergleich auch durchaus zutreffend.
    Er straffte sich und blickte sich um. Vom Wasser reflektierte Sonnenlichtflocken tanzten durch seinen Kopf, sodass er die Polarisierung seiner Brillengläser anpassen musste. Swan nahm ihre Brille immer wieder ab, um sich mit bloßem Auge umzusehen; manchmal begann sie zu taumeln, und die Tränen gefroren ihr auf den gesprungenen roten Wangen, aber sie lachte oder stöhnte orgasmisch. Wahram probierte es nur ein einziges Mal.
    »Du wirst blind werden«, sagte er zu ihr.
    »Das hat man früher dauernd gemacht! Früher haben die Leute ohne Brillen gelebt!«
    »Ich glaube, die Inuit haben ihre Augen geschützt«, maulte er. »Mit Lederstreifen oder so. Wie dem auch sei, damals musste man das eben einfach ertragen. Das Leben hier oben hat dem Menschen schwer zu schaffen gemacht. Ihr eigener, rauer Planet hat sie daran gehindert, ihr Menschsein voll auszuleben.«
    Sie johlte und warf einen Schneeball auf ihn. »Was du für ein Lügner bist! Wir sind Blasen aus Erde! Blasen aus Erde!«
    »Ja, ja«, erwiderte er. » Mit den Vögeln aufstehen in Candleford. Uns hat man das auch beigebracht. ›Wenn sie allein auf den Feldern waren und niemand sie sah, hüpften, tanzten und sprangen sie umher, wobei sie versuchten, so wenig wie möglich den Boden zu berühren und riefen: ‚Wir sind Blasen aus Erde! Blasen aus Erde! Blasen aus Erde!‘‹«
    »Genau! Man hat dich als Unitarier großgezogen?«
    »Hat man uns das nicht alle? Aber nein, ich habe es bei Crowley gelesen. Und ich kann bei dieser Schwerkraft nicht hüpfen, tanzen und springen. Ich würde stolpern und stürzen.«
    »Ach komm schon, stell dich nicht so an.« Sie musterte ihn. »Du wiegst hier sicher eine Menge. Aber du bist schon lange hier, eigentlich solltest du dich inzwischen daran gewöhnt haben.«
    »Ich muss zugeben, dass ich nicht besonders viel zu Fuß unterwegs war. Meine Arbeit war eher gemütlich.«
    »Die Neuerschaffung von Florida war gemütlich? Dann ist es ja gut, dass wir dich hier draußen haben.«
    Sie war glücklich. Auch Wahram stapfte halbwegs zufrieden einher; er hatte die Auswirkungen der Schwerkraft übertrieben, um sie zu ärgern. Die kalte Luft und das Sonnenlicht verliehen dem Tag etwas Kristallenes. »Es ist gut«, gab er zu.
    Und so gingen sie am Südrand der Karibuspur Richtung Osten, wobei Swan Sender hinterließ, Spuren fotografierte und Boden- und Kotproben nahm. Am Abend versammelten sie sich mit den anderen Spurenlesern in einem großen Esszelt, das täglich an anderer Stelle neu aufgeschlagen wurde. In den kurzen Nächten lagen sie im selben Zelt auf ihren Feldbetten und schliefen ein paar Stunden, bevor sie frühstückten und sich erneut auf den Weg machten. Nach dem dritten Tag auf Wanderschaft mussten sie sich mit den per Helikopter eintreffenden kanadischen Mounties herumschlagen, die sie festnahmen und nach Ottawa flogen.
    »Das geht doch nicht!«, schrie Swan, während sie zusah, wie das Land sich unter ihnen entfaltete. »Wir waren doch nicht mal in Kanada.«
    »Genau genommen waren wir das schon.«
    Die riesigen Weizenfelder sahen mittags ganz anders aus als am Morgen, als sie losgegangen waren. »Jetzt schau dir das an!«, rief Swan einmal und deutete verächtlich hinab. »Das sieht aus wie wuchernde Algen auf einem Teich.«
    Als man sie in Ottawa aus dem Polizeigewahrsam entließ, ging Swan mit Wahram zum Merkur-Haus, damit sie sich waschen und mehr über die Vorgänge in Erfahrung bringen konnten. Nach wie vor wurde überall über die Reanimierung berichtet. Es gab viel zu viel zu erzählen, weil alle Menschen gleichzeitig ihre Geschichten zum Besten geben wollten; wie immer also, nur extremer. Swan und Wahram fiel es deshalb auch schwer, ihre eigene Geschichte aufzutreiben – und insbesondere herauszufinden, warum man sie festgenommen hatte. Die Mounties hatten sie, ohne Anklage zu erheben, laufen gelassen, und niemand in Ottawa schien die geringste Ahnung zu haben, warum man sie überhaupt festgenommen hatte.
    Die Nachrichten waren bereits gebündelt abrufbar, man konnte die Bilder alphabetisch nach Tierart oder Gebiet oder mehreren anderen

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