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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Kiesbecken, das von kleineren Strömen durchwoben war; ein Irrgarten aus rundgewaschenen Felsbrocken und gewundenen, ausgetrockneten schwarzen Nebenarmen. An vielen Stellen war dieser Untergrund für die Karibus nicht sicher, und Wahram verstand, warum Swan wollte, dass sie den Fluss an der Furt überquerten, wo fester Permafrostboden auf beiden Seiten eine ebene, braungrüne Straße bildete.
    »Sieh nur, die Ersten versuchen es.«
    Wahram trat an ihre Seite und blickte nach Süden. Hunderte von Karibus hatten sich am diesseitigen Flussufer versammelt, reckten die Geweihe empor und röhrten. Die großen Männchen ganz vorne wagten sich mit den Vorderbeinen ins Wasser, stippten die Hufe vorsichtig hinein, und dann lief eines der Tiere los, sogleich gefolgt von mehreren anderen. Erst ging ihnen das Wasser bis zu den Knien, und dann mit einem Mal bis zur Brust. Der Fluss vor ihnen schwappte und wogte.
    »Oh-oh«, sagte Swan. »Dort ist es tief.«
    Aber die Anführer liefen oder schwammen beharrlich weiter, und schon bald erhoben sie sich wieder aus knietiefem Wasser, das unter ihren Tritten aufschäumte. Am gegenüberliegenden Ufer drehten sie sich um und röhrten. Inzwischen waren bereits weitere Karibus im Wasser, und nun begann die gesamte Masse, sich langsam vorwärtszubewegen. Der Strom der Tiere verengte sich, als die an den Seiten versuchten, weiter in die Mitte zu gelangen. Wahram erkannte, dass sie dicht zusammenbleiben wollten. »Probleme wird es vor allem dort geben, wo es tief wird«, prophezeite Swan, und so kam es auch; als die Tiere den Boden unter den Füßen verloren, röhrten einige und versuchten umzukehren, doch sie wurden geschoben und mit den Geweihen gestoßen, bis sie schließlich weitergingen; aber dadurch musste die Masse im seichteren Wasser sich noch dichter zusammendrängen. Das allseitige Röhren übertönte das laute Tosen des Flusses, der durch sein endloses Felsbecken rauschte. Einige Tiere an der linken Flanke drehten ab und machten sich auf den Weg nach Norden, aber Swan sprang auf und ab und wedelte mit den Armen, und Wahram nahm eine kleine Tröte von ihr entgegen und drückte ein paarmal darauf. Der Ton, den er ihr entlockte, war hoch und warnend, aber Wahram vermutete, dass es Swans wilde Bewegungen waren, die die Tiere schließlich zum Umkehren veranlassten. Inzwischen hatten die ineinander verkeilten Tiere dort, wo das Wasser tiefer wurde, zu schwimmen begonnen. Bald war der Vorfall mit den Ausreißern vergessen, und die gesamte Herde überquerte in einem Tosen von weißen Wassern und dampfenden braunen Leibern kraftvoll den Strom. Das Ganze dauerte fast eine Stunde. Es gab ein paar Unfälle, ein paar gebrochene Gliedmaßen, und einige Tiere ertranken sogar, aber die Herde hielt nicht mehr ein einziges Mal inne.
    Swan sah genau zu, zeigte auf eine Front von Wölfen, die am Ufer flussabwärts Stellung bezogen hatte, sich mit den Zähnen ertrunkene Karibukälber schnappte und sie gemeinsam aus dem Wasser zog. Ab dort war der Fluss von roten Schlieren durchzogen.
    »Werden die Wölfe ihn auch überqueren?«, fragte Wahram.
    »Ich weiß nicht. In den Terrarien haben sie das oft gemacht, aber dort sind die Flüsse nicht so groß. Du weißt schon – man sieht so etwas in einem Terrarium, und dort ist es toll, aber hier ist es anders . Ich frage mich, ob sie sich dasselbe denken. Ich meine, sie haben das schon oft gemacht, aber über sich haben sie dabei immer das Land gesehen. Sie waren noch nie unter freiem Himmel. Ich frage mich, was sie vom Himmel halten! Fragst du dich das nicht?«
    »Hmm«, machte Wahram nachdenklich. Selbst für ihn war der Anblick des terranischen Himmels etwas zutiefst Befremdliches. »Es sieht sicher seltsam für sie aus. Zweifellos haben sie ein Gefühl für räumliche Verhältnisse, immerhin handelt es sich um Wandertiere. Sie wandern in den Terrarien. Also muss ihnen auffallen, dass es hier anders ist. Von der Innenseite eines Zylinders auf die Außenseite einer Kugel – nein, wenn sie das spüren …« Er schüttelte den Kopf.
    »Ich finde, sie wirken panischer als sonst. Wilder.«
    »Mag sein. Wie kommen wir selbst über den Fluss?«
    »Wir schwimmen. Nein, natürlich nicht. Unsere Aerogele fungieren als Flöße, wir können uns also hinübertreiben lassen. Wenn wir Glück haben!«
    Sie führte ihn zur Furt hinab, wo der Geruch der Karibus in der Luft hing und Fellfetzen im seichten Wasser dümpelten. Der Wind fuhr Wahram durch den Leib, und er spürte

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