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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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sodass wir inzwischen wissen, wo im Gehirn verschiedene Arten des Denkens stattfinden. Aber die dabei eingesetzten Methoden, die Programmierung, wenn man so will, sind nach wie vor weitgehend unbekannt.«
    »Tja … aber … wenn man mit einem ganz anderen physikalischen System ein vergleichbares Ergebnis erzielen will, braucht man dann überhaupt viel genauere Informationen?«
    »Ja, die braucht man«, antwortete Pauline. »Die Integration höherer Funktionen ist entscheidend für alle Rechenmechanismen, einschließlich des Gehirns. Wir sind also wieder bei dem Problem, dass ein Verstand nicht mehr leisten kann als seine ursprüngliche Programmierung.«
    »Aber was ist, wenn jemand herausgefunden hat, wie man ein Programm für eine sich selbst wiederholende Verbesserungsfunktion schreibt, und das dann einem Qube eingegeben hat, der sich damit selbstständig gemacht hat und immer schlauer geworden ist, oder der vielleicht auch … ich weiß nicht … ein Bewusstsein entwickelt und es an andere Qubes vermittelt hat? Ein einziger Einstein-Qube würde genügen, um die Methode unter allen Qubes zu verbreiten – nicht per Quantenverschränkung, sondern durch digitale Übertragung, vielleicht sogar nur verbal. Hast du schon mal von so etwas gehört?«
    »Ich habe von dem Konzept gehört, aber nicht von seiner Umsetzung.«
    »Was hältst du davon? Ist so etwas möglich? Bist du dir deiner selbst da drin bewusst?«
    »In dem Sinne, in dem du mich darauf programmiert hast.«
    »Aber das ist entsetzlich! Du bist nichts weiter als eine sprechende Enzyklopädie! Ich habe dich darauf programmiert, auf meine Stichworte zu reagieren und dabei immer wieder Zufallselemente ins Spiel zu bringen, aber letztlich bist du bloß eine Assoziationsmaschine, ein Lesegerät, ein Watson, eine Art Wiki!«
    »Das erzählst du mir zumindest dauernd.«
    »Dann sag du es mir doch! Sag mir, was dich zu etwas anderem macht.«
    »Ich verfüge über Bewertungsrubriken, die ich einsetze, um die mir eingegebenen Daten zu bewerten, und über Bedeutungshierarchien.«
    »Na schön, was noch?«
    »Nachdem ich das, was zutreffend erscheint, gemäß der bisher erhalte nen Daten vom Nichtzutreffenden getrennt habe, kann ich ein qualifiziertes Urteil über die Bedeutung einer Eingabe fällen.«
    Swan schüttelte den Kopf. »Na schön, rede weiter. Urteile!«
    »Gleich. Lass uns erst noch einmal zu deiner dritten Aussage zurückkehren, wonach Inspektor Genette überzeugende Hinweise darauf gefunden hat, dass es Qube-Humanoiden gibt und dass sie mit dem Angriff auf Terminator und mit anderen Angriffen zu tun haben. Angesichts dieser Umstände verweise ich auf meine vorangegangenen Aussagen. Es könnte humanoide Qubes geben; das erscheint möglich, wenn auch umständlich. Und sie könnten mit diesen Angriffen zu tun haben. Aber am wahrscheinlichsten ist, dass sie von Menschen programmiert werden und nicht etwa selbst beschlossen haben, als eine Art bewusste Handlungsträger in die menschliche Geschichte einzugreifen. Wenn du dich außerdem an die mögliche Fehlleistung erinnern würdest, die dir aufgefallen ist, nämlich die relativistische Präzession des Merkur in ein Zielprogramm einzugeben, das sie bereits berücksichtigt? Du wirst mir doch wohl zustimmen, dass das nach menschlichem Versagen aussieht.«
    »Ja. Das stimmt.« Swan dachte eine Weile darüber nach. »Na schön, das ist gut. Ich glaube, das hilft mir. Danke. Also, wenn wir als Arbeitshypothese von dieser Erklärung ausgehen – was sollten wir deiner Meinung nach tun?«
    Pauline ließ mehrere Sekunden verstreichen. Swan vermutete, dass es sich um das Äquivalent von Millionen oder vielleicht sogar Milliarden Jahren menschlichen Denkens handelte, aber trotzdem handelte es sich letztlich bloß um eine Art des Faktenabgleichs, weshalb Swan sich nicht von dieser Vorstellung beeindrucken ließ. Genau genommen weckte der Anblick einer ausgetrocknet wirkenden Baumorchidee über ihrem Kopf ihre Aufmerksamkeit, und Swan nahm sie gerade genauer in Augenschein, als Pauline schließlich antwortete: »Lass mich per verschlüsseltem Funkkontakt mit Wangs Qube in Verbindung treten. Er weiß sehr viel, und ich habe einige Fragen an ihn.«
    »Kannst du euer Gespräch sicher verschlüsseln, sodass nicht einmal andere Qubes es belauschen können?«
    »Ja.«
    »Na dann, okay. Aber das solltet ihr beiden lieber geheim halten, sonst wird diese Gruppe, die sich um Alex versammelt hat, ernsthaft sauer auf mich sein. Ich

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