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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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habe immerhin versprochen, dass ich dir nichts von alldem erzähle. Bei der Gruppe geht es genau darum sicherzustellen, dass kein Qube weiß, was sie plant.«
    »Sei unbesorgt. Ich werde die beste Verschlüsselung benutzen, die ich kenne, und Wangs Qube ist gut im Verschlüsseln und daran gewöhnt, dass man ihn bittet, Gespräche vertraulich zu behandeln. Wang hat seinen Qube als Informationsgrab programmiert – er selbst vergleicht ihn oft mit einem Schwarzen Loch. Außerdem will Wang in den meisten Fällen überhaupt nicht wissen, was sein Qube weiß. Er wird nie von diesem Gespräch erfahren.«
    »Gut. Dann versuch, möglichst viel herauszufinden.«
    Als Swan später mit Wahram sprach, musste sie ihr Wissen um das, was sie mit Pauline getan hatte, ignorieren und so tun, als sei es überhaupt nicht geschehen. Diese Art, sich selbst etwas vorzuspielen, funktionierte bei ihr normalerweise recht gut; aber als Wahram mit ihr die Lage erörtern wollte, wobei er immer wieder recht verwirrende Fragen auslotete, wie zum Beispiel die, was man sich unter einer neuen Art von Qube-Bewusstsein vorzustellen hatte, konnte sie sich dem Gedanken an das Geschehene nur schwer entziehen. Vielleicht war sie auch einfach nicht mehr so gut darin, sich selbst etwas vorzumachen.
    Um derlei Gesprächen aus dem Weg zu gehen, begann sie, mit ihm zusammen in die mehrere Decks weiter oben gelegenen Bildfenstersäle zu gehen, wo sie an Cafétischen oder in Bädern sitzen und verschiedenen Arten von Kammermusik lauschen konnten – Gamelan- und Zigeunerorchestern, Jazztrios, Streichquartetts, Blaskapellen, darauf kam es nicht an; sie hörten zu, und wenn sie redeten, dann über die Stücke und Musiker. Nicht ein einziges Mal sprachen sie das Konzert im Beethoven-Krater an.
    Inzwischen hatten sie schon eine ganze Menge Zeit miteinander verbracht; sie hatten zusammen musiziert, und sie schliefen miteinander. Swan mochte ihn, und verspürte zugleich den Wunsch, ihn zu mögen, und die Freude über dieses Gefühl. Es war eine Feedbackschleife. In dem Spiegelkabinett ihres Geistes war sein Froschgesicht oft in einem Spiegel an der Seite zu sehen und beobachtete sie mit einem spürbaren Blick bei ihrem Tun.
    Manchmal redeten sie über Vorfälle in ihrer gemeinsamen Vergangenheit oder besprachen die anhaltend dramatischen Geschehnisse um die Reanimierung der Erde. Manchmal hielten sie sich bei den Händen. All das bedeutete etwas, aber Swan wusste nicht, was. Das Spiegelkabinett war launisch; dann und wann fragte sie sich, ob ihre eigenen geistigen Fähigkeiten überhaupt auf einer höheren Ebene angesiedelt waren als die von Pauline oder die von den Seidenäffchen im Park. Man konnte eine Menge wissen und war trotzdem nicht zwangsläufig fähig, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Pauline hatte eine einprogrammierte Entscheidungsrubrik, die sie dazu zwang, die Welle der Möglichkeiten kollabieren zu lassen und genau eine Sache zu sagen, wodurch sie in die Gegenwart eintrat. Swan war sich nicht sicher, ob sie selbst über eine solche Rubrik verfügte.
    Einmal sagte sie: »Ich wünschte, dass Terminator mit seinen Schienen nicht so verwundbar wäre. Ich wünschte, man könnte den Merkur terraformen wie den Titan.«
    Wahram versuchte, ihr Mut zu machen. »Vielleicht ist es euer Schicksal, ein Planet für Sonnenanbeter und Kunstinstitute zu sein. Terminator wird weiterfahren, und vielleicht wird es einmal mehr fahrende Städte geben – wird im Norden nicht eine namens Phosphor errichtet?«
    Swan zuckte mit den Schultern. »Wir sind trotzdem weiterhin von den Schienen abhängig.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ach weißt du, diese Vorstellung eines kritischen Punkts, vor dem man sich schützen sollte … das ist eben nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Selbst auf der Erde gibt es kritische Punkte. Überall. Sie häufen sich geradezu.« Er wies mit einer Geste in den Raum und ließ den Blick seiner Glupschaugen schweifen. »Das ganze Ding hier ist eine riesige Ansammlung kritischer Punkte.«
    »Ich weiß. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einem selbst und der Welt, auf der man lebt. Der eigene Körper ist zerbrechlich – und irgendwann zerbricht er. Aber das Zuhause, die eigene Welt – die müsste eigentlich stärker sein. Man sollte sich darauf verlassen können, dass sie bestehen bleibt. Niemand sollte dazu in der Lage sein, einfach die Luft aus einer Welt herauszulassen, so wie man eine Seifenblase mit einer Nadel zersticht. Ein

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